Bezaubernde Spionin
Herrn, dem verschlagenen Herzog John von Bedford. Es ist doch ganz offensichtlich, dass der englische Regent mit allen Mitteln versucht, Aylinn aus Schottland wegzulocken und sie unter seine Kuratel zu bekommen.« Er knurrte gereizt. »Ich kann mir sehr genau vorstellen, was er mit ihr vorhat, sollte sie seinem Wunsch oder dem des Königs Folge leisten.«
Sir Archibald räusperte sich. »Wunsch?« Als Rupert ihn verblüfft ansah, fuhr er fort: »Ich hatte nicht den Eindruck, dass Seine Majestät einen Wunsch geäußert hat. Es klang eher wie eine Feststellung, so als wäre die Angelegenheit längst beschlossen, und zwar ohne Zutun des Engländers und dieser sogenannten Lady. Ich würde fast vermuten …«
Sir Rupert blieb stehen. »Ja?«, stieß er hervor, als Sir Archibald verstummte. »Was würdet Ihr vermuten, Sir Archibald? Himmel, Mann, spannt mich nicht auf die Folter, sondern sagt schon, was Ihr vermutet!«
Sir Archibald legte einen fleischigen Finger an sein bärtiges Kinn. »Ich könnte mir fast vorstellen, dass sie selbst auf diese Idee gekommen ist.«
»Aylinn?« Rupert wirkte ehrlich erstaunt. »Aber warum? Aus welchem Grund sollte sie … Ich meine«, er stockte, »glaubt Ihr wirklich, dass sie wegen ihres Vaters … also, dass sie meinetwegen …?«
Sir Archibald empfand beinahe so etwas wie Mitleid mit dem jungen Mann vor ihm. Normalerweise war Rupert nicht um Worte verlegen, aber normalerweise hatte er es auch nur mit mordlüsternen und aufsässigen Clanchiefs, Gesandten von irgendwelchen gekrönten Häuptern oder Hofdamen zu tun, die sich allesamt von seiner kühlen, undurchdringlichen Art beeindrucken, ja, einschüchtern ließen.
Bei Aylinn von Albany dagegen verhielt es sich anders. Vollkommen anders. Sir Archibald kratzte sich das Kinn. »Ich meine«, erwiderte er so diplomatisch, wie er nur konnte, »dass die Herzogin vielleicht in einer Flucht nach England die einzige Chance sieht, dem … Dilemma, in dem sie sich zu befinden glaubt, zu entkommen.« Archibald war so stolz auf sich, dass er sich am liebsten auf die Schulter geklopft hätte. Sicher wusste Sir Rupert genau, worauf er anspielte, und er brauchte das Problem nicht weiter auszuführen. Wie sollte er dem jungen Stewart auch beibringen, dass Aylinn eine Lady war, die etwas auf sich hielt, und ganz sicher nicht gern daran erinnert wurde, dass sie ihr Herz und ihre Tugend ausgerechnet dem Mann geschenkt hatte, der gleich am nächsten Tag ihren Vater getötet hatte. Sicher, aus guten Gründen, gewiss, aber dennoch - dieser Vorfall hatte das Mädchen in eine schwierige emotionale Lage gebracht. Dass Sir Rupert offenbar auch noch der erste Mann in ihrem Leben gewesen war, hatte Sir Archibald erst erfahren, als Juliet McPherson ihm erzählt hatte, wie ritterlich sich ihr Connor damals Aylinns schwärmerischer Verliebtheit gegenüber verhalten hatte. Er hatte ihre offensichtliche Verliebtheit nie ausgenutzt, was recht ungewöhnlich war angesichts der Tatsache, wie attraktiv Aylinn war. Und angesichts der bedauerlich traurigen Moral des Adels. In dem Punkt unterschied sich Schottland wohl nicht von anderen Adelshöfen.
Archibald unterdrückte ein Seufzen, schob den Gedanken jedoch rasch beiseite und konzentrierte sich auf Aylinn von Albany. Sie hatte sich anderen Männern gegenüber stets unnahbar, beinah hochmütig verhalten, sodass die meisten Verehrer schon bald frustriert aufgegeben hatten, ihr den Hof zu machen. Jedenfalls bis Sir Rupert von Atholl aufgetaucht war.
Sir Archibald fühlte sich stets leicht verunsichert, wenn es um Herzensangelegenheiten ging, und diese Geschichte zwischen den beiden war die brisanteste Herzensangelegenheit, die er jemals erlebt hatte. Noch brisanter als damals diese Geschichte zwischen Juliet de Germont und Connor McPherson, und da hatte es schon mächtig geknistert, gefunkt und gekracht. Diese Angelegenheit jetzt war jedoch erheblich heikler. Nicht nur, dass die Gefühle des jungen Mädchens auf eine Zerreißprobe gestellt worden waren, Aylinn von Albany war immerhin auch eine Herzogin, und ihr zukünftiger Gemahl würde sich einen bedeutenden Titel erheiraten. Dass sie bisher alle Bewerber abgewiesen hatte, konnte nichts damit zu tun haben, dass sie ihr gesellschaftlich nicht ebenbürtig gewesen wären. Aber schließlich würde der Mann, der diese wundervolle Frau heiratete, zumindest wissen wollen, wem sie vor ihm ihre Gunst geschenkt hatte, und wie sollte Aylinn mit ihrem zukünftigen Gemahl am
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