Bezaubernde Spionin
Außerdem frage ich mich, seit wann Ihr meine Gedanken lesen könnt.«
Rupert verbeugte sich knapp vor ihr. »Verzeiht, Lady Aylinn. Dies scheint mir weder der rechte Ort noch die rechte Zeit zu sein, auf eine solche Frage zu antworten. Selbst wenn ich es könnte.« Sein kühles Lächeln beschleunigte Aylinns Puls, und sie kämpfte, wie sie hoffte, erfolgreich gegen ein Erröten an. Sie wusste natürlich, worauf er anspielte. Denn vor einem Jahr, bei ihrem Liebesspiel, hatte sie durchaus den Eindruck gehabt, als wenn Rupert ihre Gedanken lesen konnte. Jedenfalls schien er ihre unausgesprochenen Wünsche erraten zu können, und er hatte sie damit nahezu in den Wahnsinn getrieben, und das ein ums andere Mal …
»Verzeiht, Herzogin«, ertönte jetzt Peter Cunninghams näselnde Stimme. »Aber ich kann mich nur wiederholen. Selbst wenn Sir William Douglas’ Verhalten ein wenig …«, er hüstelte, »rustikal zu nennen wäre«, seine Augen blitzten, »ist sein Argument durchaus gewichtig. Nach altem schottischen Clansrecht werden schottische Könige seit jeher auf dem Stein von Scone gekrönt, und wenn William Douglas jetzt auf die Einhaltung dieser Sitte pocht …«
» … ist er ein hinterhältiger Hundsfott, der genau weiß …!«
»Hundsfott?«, fuhr William hoch und wirbelte zu Sir Archibald herum. »Das ist eine Beleidigung, die nur mit Blut …«
» … greift er damit nur auf ein altes Recht der Highlander zurück!«, schrie Peter Cunningham über das allgemeine Geschrei, das erneut im Thronsaal ausbrach. Die königstreuen Clanchiefs fuchtelten wütend mit ihren Fäusten in der Luft herum, während die Anhänger des Douglas-Clans, nur durch einen schmale Gasse von ihnen getrennt, ebenfalls mit den Fäusten drohten und ihrerseits wüste Beschimpfungen ausstießen.
»Und jeder Clanchief und Chieftain Schottlands hat das Recht, die Rechtmäßigkeit eines Königs infrage zu stellen, der nicht nach den alten Sitten und Gebräuchen Schottlands gekrönt worden ist …«, fuhr Peter Cunningham fort.
»Ein Recht, von dem niemand mehr Gebrauch gemacht hat und auch nicht hat machen können, seit Edward Plantagenet, dieser englischer Barbar und Tyrann, uns diesen Stein geraubt hat!«, brüllte Sir Archibald aufgebracht. »Eine Frechheit, Sir, dass ausgerechnet Ihr, der ,englische Schlächter’ eine so flammende Rede auf dieses Recht haltet, das Ihr und Euresgleichen uns immerhin genommen habt!«
» … und das deshalb aber nichtsdestoweniger seine Gültigkeit behält«, beendete Peter Cunningham seinen Satz. »Der Wunsch der Clans nach einem rechtmäßig gekrönten Oberhaupt ist ja wohl nur zu verständlich. Ein Problem, das man sicherlich leicht aus der Welt hätte schaffen können. Aber bedauerlicherweise und mit Verlaub, habt Ihr, Majestät, bisher gezögert, meinem König einen Besuch abzustatten …«
»Weil Seine Majestät ihren Kopf lieber auf den Schultern behält, statt ihn in einen englischen Korb zu Füßen eines Scharfrichters zu legen«, knurrte Sir Archibald gereizt.
» … oder ihm auch nur die Höflichkeit zu erweisen, einen Gesandten nach England zu schicken, der darüber verhandeln könnte, durch eine mögliche formale Anerkennung der Inthronisierung die … Spannungen, die zwischen unseren Ländern herrschen, verhandeln könnte. Es wäre vielleicht sogar möglich, über den Verbleib dieses Steines zu reden, obwohl ich damit keineswegs behaupten will, dass mein König weiß, wo und vom wem er versteckt wurde. Falls ihn nicht ohnehin irgendwelche aufsässigen Schotten den Stein von Scone geraubt haben, um die Krönung eines ihnen unliebsamen schottischen Königs zu verhindern.« Sir Peter Cunningham lächelte wölfisch, offenbar unbeeindruckt von den wütenden, hasserfüllten »Schlächter«-Rufen, die ihm von der einen Seite des Thronsaals entgegenschlugen. »Denn aufsässige Clans, Majestät, scheint es in Schottland mehr als genug zu geben. Zudem ist mein König der Meinung, dass Eure Untertanen durchaus berechtigten Anlass zum Aufbegehren haben. Und er ist besorgt um das Wohl …«
Erneutes Stimmengewirr unterbrach ihn, als die beiden Lager erbittert darüber stritten, ob die Bestätigung und Krönung eines schottischen Königs in England überhaupt rechtens wäre, wie die Anhänger des Douglas-Clans lautstark behaupteten, oder ob eine solche Zeremonie stattdessen eine Unterwerfung Schottlands unter englische Tyrannei bedeutete, wie die königstreuen Clanmitglieder ebenso lautstark
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