Bezaubernde Spionin
sie, »... muss ich immer an den Tod meines Vaters denken.« Und an die schönste Liebesnacht meines Lebens.
Aylinn verzog die Lippen.
Kein Wunder, dass es die schönste Erinnerung ist. Es ist ja auch die einzige. Sicher, sie hatte einst Connor McPherson schwärmerisch verehrt, aber zu mehr als einem flüchtigen Kuss war es niemals zwischen ihnen gekommen. Was man von ihr und Rupert nicht gerade behaupten konnte. Sie hatte sich ihm bedenkenlos hingegeben, ja, hatte ihn sogar ermutigt, fast könnte man sagen, ihn verführt, sie zu nehmen. Ohne auch nur eine Sekunde über mögliche Konsequenzen nachzudenken.
Und der Schuss bei dem Turnier am nächsten Tag hatte jegliche Beziehung zwischen ihnen vollkommen unmöglich gemacht – es wäre auch ohne diesen schrecklichen Vorfall schwierig genug geworden, wenn sie, Lady Aylinn, die Herzogin von Albany, ausgerechnet einen Stewart heiraten wollte … Ihre Wangen röteten sich bei dem Gedanken an eine Heirat mit Sir Rupert unwillkürlich. Falls sie das wollen würde. Aylinn weigerte sich, weiter darüber nachzudenken. Ein solcher Gedanke war einfach absurd. Sie hatten eine Liebesnacht erlebt, zweifellos eine wunderschöne Liebesnacht, aber wie die Dinge lagen, hätte sie vermutlich ohnehin niemals die Zustimmung der Königin zu einer Eheschließung mit Sir Rupert von Atholl erhalten. Joan Beaufort hätte zweifellos diese Verbindung zweier so mächtiger Familien niemals zugelassen. Die Hausmacht, über die Sir Rupert Stewart von Atholl, der neue Herzog von Albany, dann verfügte, hätte ihn in den Augen vieler schottischer Clanchiefs zu einer interessanten Alternative zu James I. gemacht, und in Anbetracht der gespannten Lage, in der sich das Königshaus jetzt schon befand …
Aylinn schloss einen Moment die Augen. Trotzdem, diese eine Nacht hatte ihr Leben dramatisch verändert: Denn nicht nur, dass der Mann, den sie geliebt hatte, durch seine Tat am nächsten Tag für sie unerreichbar geworden war, er hatte durch die Leidenschaft in der Nacht davor bewirkt, dass Aylinn einfach kein Interesse an anderen Männern mehr entwickeln konnte.
Nicht nur, dass sie seit diesem Tag beinahe jede Nacht von Rupert träumte, von ihm und ihrem Liebesspiel; sie verglich außerdem fast gegen ihren Willen jeden möglichen Ehekandidaten mit ihm, und nachdem keiner diesem Vergleich auch nur annähernd hatte standhalten können, hatte Aylinn einfach aufgehört, weitere Freier zu empfangen.
Sie mochten noch so gut aussehen, so gebildet sein, so freundlich, begütert, belesen oder von ihr hingerissen sein, keinem von ihnen war es gelungen, auch nur ein leises Kribbeln in ihr auszulösen, außer vielleicht einige, die ein Prickeln des Widerwillens in ihr erzeugten.
Geschweige denn, dass einer es fertiggebracht hätte, diesen Rausch der Leidenschaft in ihr auszulösen, das ungestüme Begehren, das ihre Beine weich und ihr Innerstes flüssig machte, das ihre Lippen öffnete, ihren Atem beschleunigte und ihren Herzschlag zum Rasen brachte, was ihm mit nur einem einzigen Blick gelang, ihm, diesem verfluchten und absolut hinreißenden Mann …
» … dessen sich gewiss Lady Harrington annehmen wird.«
Aylinn zuckte heftig zusammen und landete mit einem Ruck wieder in der Realität. »Wie bitte, Nanette?«, fragte sie.
»Ich meinte gerade, Mylady«, sagte die Hofdame, während sie erneut einen Versuch unternahm, Aylinns wundervolles rotblondes Haar zu bürsten, »dass Lady Georgina Harrington gewiss froh ist, wenn Ihr erst in England seid. Sie hat ja förmlich Gift und Galle gespuckt, weil Sir Rupert nur Augen für Euch gehabt hat, und das, obwohl sie ihn sozusagen als Opfer auserkoren hatte.« Sie lachte. »Das war auch wirklich kaum zu übersehen, so wie Lady Harrington durch den Thronsaal schritt, bevor sie den Majestäten vorgestellt wurde. Die anderen Männer haben sich fast auf die Zungen getreten, so gesabbert haben sie!« Nanette schüttelte den Kopf. »Es war wirklich unglaublich.«
»Ach wirklich?«, stieß Aylinn zwischen den Zähnen hervor. »Wieso? Was hat sie getan?«
»Oh, gar nichts, Mylady, gar nichts. Jedenfalls nichts, was man ihr hätte vorwerfen können.« Sie lächelte. »Aber wir Frauen haben natürlich einen anderen Blick für weibliche Raffinesse, hab ich recht?«
»Sicher, Nanette, vollkommen.« Aylinn atmete tief durch und schob erneut die Bürste zur Seite, als Nanette sich anschickte, ihr Haar zu pflegen. Sie war so angespannt, dass sie aus der Haut zu fahren
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