Bezaubernde Spionin
tun.
»Das meinte ich nicht«, erwiderte Georgina Harrington mit einer Beiläufigkeit, von der Peter Cunningham sofort erkannte, dass sie nur gespielt war. »Ich meinte, dass er unseren kleinen ›Gedankenaustausch‹ mit dem Douglas-Clan beobachtet hat. Ich möchte vermeiden, dass sich bei ihm sein falscher Eindruck von meinen Absichten festsetzt, was die Clans angeht. Nachher vermutet er noch, dass ich versuchen würde, sie gegen den König aufzuwiegeln.« Sie lachte perlend. »Auch wenn er mit dieser Meinung vollkommen richtigläge, wäre es mir doch lieber, wenn er vorläufig an meine Unschuld und guten Absichten glaubt.«
Georgina beschloss hoheitsvoll, das leise, verächtliche Schnauben zu ignorieren, mit dem Lord Peter ihre letzten Worten kommentierte. Sollte dieser Bauer von einem Diplomaten doch von ihr halten, was er wollte! Wenn er sie unterschätzte, umso besser - überhebliche Männer waren viel leichter zu manipulieren als solche, die ihre Stärken ebenso gut kannten wie ihre Schwächen.
Und Sir Rupert gehörte zweifellos zu letzterer Sorte, was ihn für Lady Harrington nur umso interessanter machte.
Georgina betrachtete sich erneut zufrieden im Spiegel. Die Frau, die ihr entgegenblickte, war einfach wunderschön und äußerst begehrenswert. Sie trug jetzt ein Gewand aus feinster rot gefärbter venezianischer Seide, die so dünn war, dass das Kleid beinahe durchsichtig wirkte und sich eng an ihren Körper schmiegte. Zudem hatte es ein sehr tief ausgeschnittenes Dekolleté, das diesmal nicht durch Spitze verbrämt wurde. Und sie trug nichts darunter, gar nichts, was man bei einer bestimmten Beleuchtung sehr gut sehen konnte. Was ihr die Erektion, die Lord Peter Cunninghams Pluderhose kaum verbergen konnte, nur zu deutlich bestätigte. Oh ja, sie war wunderschön und unwiderstehlich, was ihr nicht nur die Geilheit im Blick dieses Mannes neben ihr sagte; oh nein, sie hatte diese Lust in den Blicken der meisten Männer entdeckt, in die sie heute Abend geschaut hatte.
Und sie hatte auch Sir Ruperts Blicke, die er ihr während des Banketts zugeworfen hatte, sehr wohl bemerkt. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich erst in den folgenden Tagen ihrer Beute vorsichtig zu nähern und den Lordkämmerer behutsam zu umgarnen. Zwei Dinge jedoch hatten ihre Meinung geändert. Sie konnte nicht leugnen, vor sich selbst jedenfalls nicht, dass die Erregung, die Sir Ruperts Blicke in ihr ausgelöst hatten, der erste Grund für diesen, wie Lord Peter ganz recht bemerkte, »unschicklichen« Besuch war. Sie war erhitzt und lüstern und wusste, dass sie ohnehin keinen leichten Schlaf finden würde; sie musste herausfinden, ob ihre Wirkung auf den Lordkämmerer ebenso intensiv war wie seine auf sie. Das würde zwar nichts an ihren Plänen ändern, aber wenn dem so war, würde es die ganze Angelegenheit ein wenig … vergnüglicher machen. Der zweite Grund war jedoch ebenso wichtig. Sie musste herausfinden, in welcher Beziehung der Lordkämmerer und Lady Aylinn standen und ob sich die Herzogin von Albany tatsächlich freiwillig bereit erklärt hatte, nach England zu reisen.
Denn Georgina Harrington mochte zwar eitel sein, und ganz sicher war sie selbstbezogen, eine Eigenschaft, die zuzugeben ihr keinerlei Probleme bereitete, aber sie war nicht so selbstverliebt, dass sie nicht auch die Blicke bemerkt hätte, mit denen Aylinn den Lordkämmerer bedacht hatte. Vor ihrer Abreise nach Schottland hatte der Herzog von Bedford sie ausführlich über die Rolle informiert, die Sir Rupert bei dem Tod des Herzogs von Albany gespielt hatte. Natürlich hatte sie mit genau dem Maß von Empörung auf diesen »heimtückischen Mord«, wie John Bedford es nannte, reagiert, wie von ihr erwartet wurde. Aber sie hatte sich so ihre Gedanken gemacht und ihre eigenen Erkundigungen eingezogen. Ihre Informanten und Mittelsmänner hatten ihr nur bestätigt, was sie von vornherein angenommen hatte: Wenn man jemandem bei diesem Vorfall schurkisches Benehmen vorwerfen konnte, dann sicherlich nicht Sir Rupert, sondern eher dem verschiedenen Herzog von Albany.
Und nachdem sich Georgina jetzt selbst einen Eindruck von Sir Rupert hatte machen können, hatte sich ihre Meinung über den jungen Stewart noch verfestigt. Er war alles andere als ein heimtückischer Mörder, wofür letztlich auch seine Ernennung zum Lordkämmerer sprach. James I. hätte niemals jemanden auf einen solch wichtigen Posten erhoben, der in aller Augen ein Schurke und Mörder und von
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