Bezaubernde Spionin
Gemach, ohne auf die gestammelten Worte des Älteren zu hören. Sicher, die Lowland-Clans machten Ärger, gewiss, die englischen Gesandten waren ein Ärgernis, und Georgina Harrington mochte keine Lady sein, aber all das spielte für Sir Rupert im Moment nicht die geringste Rolle.
Es gab nur eines, was seinen Verstand ausfüllte, beziehungsweise eine Person, und die füllte nicht nur seinen Verstand aus. Sie schien sein ganzes Wesen zu erfüllen, sein Herz, seinen Körper, oh ja, und wie sie seinen Körper erfüllte.
Sir Rupert beschleunigte seine Schritte, als er an Aylinn dachte. Wie hatte er nur so dumm sein können und sich so lange von ihr hinhalten lassen? Er hatte so lange damit gewartet, ihr seine Liebe zu gestehen, dass es jetzt fast schon zu spät war.
Er biss die Zähne zusammen, als er daran dachte, dass man sie in die Höhle des englischen Löwen schicken wollte. Ausgerechnet zu John von Bedford! Diesem hinterhältigen, gewissenlosen Schuft! Und ausgerechnet Aylinn, seine schöne, zarte, empfindsame …
Er schluckte, als die Hitze in seinem Körper bei dem Gedanken daran, wie zart und empfindsam und vor allem leidenschaftlich Aylinn damals gewesen war, zunahm. Er musste sich zusammenreißen, um nicht zu rennen. Aber ihm schien, als dürfte er jetzt keine Sekunde mehr verlieren, nachdem er fast ein Jahr lang gewartet hatte, sich ihr zu offenbaren. Oh, nicht dass er es nicht versucht hätte!
Wie oft war er in Campbell House vorstellig geworden, nur um jedes Mal wieder weggeschickt zu werden, unter albernsten Vorwänden, und das, ohne Aylinn auch nur einmal zu Gesicht bekommen zu haben! Und jetzt wollte sie Schottland ganz verlassen, und er würde noch weniger Gelegenheit bekommen, ihr zu sagen …
Unwillkürlich verhielt Rupert seinen Schritt, ging langsamer, während er nachdachte. Ja, was? Was genau willst du ihr eigentlich sagen?
Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und spürte den Schweiß auf seiner Haut. Was, wenn Aylinn tatsächlich selbst den Wunsch geäußert hatte, nach England zu gehen? Wenn es ihr nicht vom König oder Joan Beaufort befohlen worden war?
Sir Rupert blieb stehen und holte tief Luft. Wenn sie ihm nicht nur nicht verziehen hatte, dass er ihren Vater getötet hatte, sondern wenn ihre Gefühle für ihn einfach nur erloschen waren?
Sein Herz schlug ihm bis in den Hals, und das Blut rauschte in seinen Ohren, als er diese Möglichkeit kurzerhand aus seinem Verstand strich.
Das war unmöglich! Er hatte doch ihren Blick bei der Audienz bemerkt, hatte gespürt, wie sie ihn angesehen hatte. Ein Ziehen in seinen Lenden erinnerte ihn daran, wie ihn dieser Blick getroffen hatte, fast wie ein Faustschlag in den Magen. Und noch ein Stück tiefer.
Sie war einfach wunderschön gewesen, hinreißend und so ungeheuer begehrenswert. Er hatte seinen Blick kaum von ihr losreißen können, wäre am liebsten auf der Stelle zu ihr gegangen und hätte sie in die Arme genommen …
Ein leises Rascheln riss ihn aus seiner Erstarrung. Sir Rupert drehte sich herum, aber in dem dämmrigen Licht der Fackeln konnte er niemanden in dem Gang erkennen. Vermutlich nur eine Ratte oder Mäuse, dachte er und schüttelte sich. Er spürte den Luftzug in dem kühlen Gang auf seiner erhitzten Haut und bemerkte erst jetzt, dass er nur mit seiner dünnen, eng anliegenden Hose und einem weiten Hemd bekleidet aus Sir Archibalds Gemach gestürmt war. Wahrlich kein angemessener Aufzug für den Lordkämmerer Schottlands. Aber Rupert würde sich auch von seiner unpassenden Aufmachung nicht davon abhalten lassen, Aylinn zur Rede zu stellen.
Denn aus welchem Grund auch immer Aylinn von Albany sich entschlossen hatte, nach England zu gehen, Sir Archibald hatte zumindest in einem Punkt recht.
Rupert hob den Kopf und ging weiter.
Er würde sie aufsuchen, und ihr reinen Wein einschenken. Rupert beschleunigte seine Schritte bei diesem Gedanken. Er würde ihr sagen, was er für sie empfand. Er würde vor ihr auf die Knie fallen, wenn es sein musste. Rupert presste die Lippen zusammen.
Dieses letzte Jahr war die reinste Qual für ihn gewesen. Es war kein Tag vergangen, an dem er nicht an sie gedacht hatte, keine Nacht, in der er nicht von ihr träumte. Und als er sie heute im Thronsaal wiedergesehen hatte, war er von ihrer Schönheit beinahe überwältigt worden. Er hatte sich in kühle Distanz flüchten müssen, als er mit ihr sprach, um nicht wie ein Trottel dort vor dem ganzen Hof ihre Hände zu packen und heiße
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