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Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)

Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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und was ich damals noch nicht ganz einordnen konnte, war seine
Angewohnheit, die Würfe und Züge der anderen zu kommentieren. Durchaus in der
Absicht, sie aufzustacheln und das Blut in Wallung zu bringen. Gute Spieler
lassen die Finger von solchen Mätzchen, egal ob es um Geld oder ›nur‹ um die
Ehre geht. Niemand ist scharf darauf, die Leute, die er ausnimmt, auch noch
anzuheizen. So etwas kann leicht ins Auge gehen. Und tatsächlich kannte ich nur
einen, der so spielte, und der füllte in seiner Glanzzeit das Casino in Baden
ganz alleine. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.
    Nachdem
sich alle die Gläser gefüllt hatten, ging es endlich los. Zuerst noch sehr
verhalten und ruhig. Das erste Männchen, das geschlagen wurde, gehörte Urner.
Mit einem Fünfer hatte er Laura überholt, die in der nächsten Runde punktgenau
zurückschlug. Urner saß draußen, was noch kein Problem darstellte. Im nächsten
Zug hatte er nämlich den nötigen Sechser und war wieder da. Allerdings nur
kurz, denn auch Jenny konnte würfeln und Urner saß wieder draußen. Darüber
lächelte er noch, und auch die anderen waren emotional noch nicht so ins Spiel
eingetaucht, dass sie ihre Schadenfreude nicht verbergen hätten können. Als
Urner allerdings weder in der nächsten noch in der übernächsten Runde einen
Sechser zu würfeln vermochte, änderte sich die Lage blitzschnell. Mittlerweile
waren alle schon einmal geschlagen worden oder hatten selbst geschlagen. Allen
war das Gefühl des Bangens bekannt, wenn ein anderer die Sicherheit der eigenen
Steine bedrohte. Und auf Urner wurde nun die ganze Spannung abgelassen. Jeder
hatte etwas Witziges zu sagen. Witzig für alle bis auf einen: Urner.
    Schließlich
meldete sich Duvenbeck zu Wort: »So lasst doch den armen Urner. Er drückt als
Politiker doch so gern das ›Bankerl‹.«
    Er
lächelte in die Runde. Doch für Urner waren der gleichzeitige Angriff auf sein
Unglück und auf seine Profession, und das auch noch unter Verwendung eines
spezifisch österreichischen Begriffs, den Duvenbeck wieder in seiner
übertrieben korrekten Art gebrauchte, einfach zu viel. Er schenkte sich
großzügig nach. Krobath, den seine Frau ebenfalls schon rausgeschossen hatte,
hielt seinen Tumbler über den Tisch. Auch er bedurfte einer moralischen
Stärkung, doch Urner verweigerte ihm das Elixier, indem er ihn einfach
ignorierte. Das verletzte natürlich Krobath, der immer Erster sein musste, in
seiner Eigenliebe. Auch er kam langsam auf Touren.
    So
wogte das Geschehen hin und her. Die Stimmung bewegte sich langsam auf den Siedepunkt
zu, alle riefen Spott und Trost durcheinander. Über all dem thronte Duvenbeck
mit einem sardonischen Lächeln, hier und da eingreifend, aufstachelnd,
verhöhnend.
    Etwa
eine Stunde später hatten alle schon ein paar Steinchen in Sicherheit gebracht,
das heißt: alle bis auf Urner. Schließlich war auch er fast soweit, noch einmal
würfeln und er wäre drin. Allerdings durfte sein Wurf nicht höher als eine Vier
sein. Doch das Unwahrscheinliche geschah: Er, der bis jetzt nur niedrige Zahlen
gewürfelt hatte, erwischte nur noch Fünfer und Sechser. Er zitterte und biss
sich förmlich die Nägel ab.
    Beim
ersten Fehlwurf witzelte Duvenbeck: »Sehen Sie sich vor, Ernest. Da hinten
kommt der Linder. Der Mann hat den Tod in den Augen.«
    Auch in
der nächsten Runde ein Fünfer. Duvenbeck kommentierte: »Linder kriegt Sie,
Mann. Das werden Sie nicht überleben.«
    Und als
in der folgenden Runde Urner den Würfel erhielt, meinte Duvenbeck: »Urner, ich
warne Sie. Letzte Chance.«
    Urner
würfelte, erneut zu hoch, ein Sechser. Er raufte sich die Haare und fluchte.
    Duvenbeck
war nun voll in seinem Element: »So, das war’s dann wohl. So viel Unfähigkeit
gehört bestraft. Linder, machen Sie ihn alle!«
    Als ich
an der Reihe war, zählte Duvenbeck die Felder zwischen mir und Urner. Ganz langsam
und deutlich. »Er braucht eine Vier, Urner.«
    Urner
sah mich mit Rehaugen an und hielt sich an sein Glas geklammert.
    »Linder,
lassen Sie sich nicht von seinen Bambiaugen aus der Konzentration bringen!
Gnade ist Schwäche.«
    Und so
würfelte ich.
    Urner
stöhnte auf, alle anderen brachen in kathartisches Gelächter aus. Jeder genoss
das Gefühl, nicht derjenige zu sein, den es erwischt hatte. Wenn Zebras reden
könnten, würden sie nach einem Löwenangriff wohl dasselbe berichten wie
Menschen nach Mensch ärgere dich nicht.
    Vier
Augen lagen auf dem Spielbrett. Ich nahm Urners

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