Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
sich angenehm hier, offenbar herrscht auch kein
Konsumationszwang, und ich habe ordentlich viel Zeit. Es gibt also keinen Grund
zur Hektik. Wenn du soweit bist, dann lass es mich wissen.«
Ich
lehnte mich in den tiefen Ledersessel zurück und beobachtete wieder die
Hütteldorfer Straße. Kaum hatte ich mich abgewendet, trat der Bartender ein,
kam an unseren Tisch, und wir mussten bestellen. Die junge Frau nahm
irgendeinen Energydrink, ich bestellte mir ein Lemon Soda. Laura war an heißen
Sommerabenden immer ganz versessen auf das Zeug, mit viel Eis drin als
Aperitif. Der Barmann werkelte herum, ich schaute zum Fenster raus. Da ging es
endlich los.
»Sie
müssen wissen, meine Oma mag Sie.«
»Was
ist denn passiert?«
»Jemand
hat nach Ihnen gefragt.«
Die
junge Frau sprach sehr gut Deutsch, manchmal aber gerieten ihr die Vokale der
betonten Silben so kurz, dass sie nahezu unhörbar wurden. In Verbindung mit den
gehauchten ›h‹s und einem kaum wahrnehmbaren Lispeln ergab das einen
liebenswerten Effekt. Ich hätte nichts dagegen gehabt, mir von ihr einen
Monumentalschinken vorlesen zu lassen. So etwas wie ›Josef und seine Brüder‹
etwa.
»Oma
sagt, Sie sind ein netter Mann, und Oma kennt nicht so viele Leut’ in Wien. Sie
waren immer mit ihr einkaufen. Bitte, Sie haben wirklich Schwierigkeiten.«
»Ich
sag’ du zu dir und du siezt mich. Wir sollten das vereinheitlichen. Ich bin
Arno.«
Ich
drehte mich zu ihr und hielt ihr meine Hand hin, die sie ergriff und dabei
»Maria« sagte. Das gab mir Gelegenheit, die Kleine ein wenig genauer zu
betrachten. Das Auffälligste waren wohl ihre großen, braunen Augen. Darunter
saß eine kleine Stupsnase über dem schön geschwungenen Mund. Ihre Backenknochen
saßen hoch und markant im Gesicht, das Kinn war zart und ihre Stirn wunderbar gewölbt.
Die zu einem Pagenkopf geschnittenen dunkelbraunen Haare verstärkten den Eindruck
eines sensiblen, gutgläubigen Mädchens, das mit großen Augen durch die Welt
geht. Kindchenschema war der Fachausdruck, der mir dazu einfiel. Wenn Maria an
Haustüren klopfen würde, um für Kinderheime zu sammeln, dann könnte sie in
einem Monat ein Vorstandsgehalt lukrieren. Wenn dann die Sache aufflöge, müsste
sie nur vor Gericht ein Schnütchen ziehen und käme mit der goldenen
Verdienstnadel aus der Sache raus.
Der
Barmann legte vor uns kleine weiße Servietten auf die dunkle Glasplatte des
Tisches und stellte unsere Getränke darauf. Maria bemühte sich krampfhaft, ihm
keinen Seitenblick zuzuwerfen, ihm war das aber egal, er beäugte mich von Kopf
bis Fuß. Der Typ war fast 1,90, hatte Fleisch auf den Knochen und sicher nicht
allzu viel Angst davor, allein im Dunkeln nach Hause zu gehen. Wahrscheinlich
war er ein guter Bekannter von Maria. Das alles ging in ein paar Augenblicken
vonstatten, danach sprachen wir weiter.
»Also,
deine Oma will mir helfen.«
Sie
nickte, ihre Augen waren groß und glänzten feucht, dazu saugte sie den
Energydrink mit einem Strohhalm direkt aus der Dose.
»Es war
jemand an der Haustür, hat bei Ihnen geklingelt, aber Sie waren heute Morgen
nicht da.«
»Ich
dachte, wir wollten ›du‹ sagen?«
»Ah ja,
sorry.« Ein kleines Lächeln huschte über ihre Gesichtszüge.
»Schon
in Ordnung. Ich kann verstehen, dass ich für dich sehr ehrfurchtsgebietend
wirken muss.« Dazu setzte ich mein breitestes Grinsen auf, um klarzumachen,
dass es sich um einen Scherz handelte. Ihr leicht verwirrter Gesichtsausdruck
zeigte mir aber, dass sie meine Worte für bare Münze nahm. Sie wirkte
tatsächlich ein wenig eingeschüchtert.
»Also,
jemand hat mich gesucht?«, versuchte ich, das Gespräch in Gang zu halten.
»Oma
hat gerade den Gang gewischt, als sie merkte, dass draußen jemand geläutet hat.
Kurz darauf hat er bei ihr geklingelt, weil doch an ihrem Namensschild
Hausbesorgerin steht.«
»Ja
und?«
»Die
Polizei war am Wochenende auch da, am Sonntagmorgen, und hat nach dir gefragt,
aber wir wissen nicht, wieso.«
»Der
Polizist, der heute bei mir war, als du die Mietvorschreibung vorbeigebracht
hast?«
»Ja.
Aber es war auch noch ein anderer dabei. Oma hatte schrecklich Angst vor ihm.
Sie meinte, da sei was Ungutes an ihm.«
»Deswegen
wolltest du mich treffen?«, fragte ich ein wenig ungeduldig.
Statt
einer Antwort wurde mir ein breites, warmes Lächeln geschenkt, das sich
anfühlte wie ein Weidenkorb voller flauschiger, schnurrender Kätzchen. Ich
musste aufpassen, sonst wickelte die Kleine mich
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