Beziehungskiller: Kriminalroman (German Edition)
Ich verharrte kurz in der Lage auf
meiner linken Seite und hoffte, dass sich die Blutzirkulation langsam wieder in
Gang setzen ließe, indem ich meine Schulter an der Matratze rieb und zeitgleich
versuchte, meine Finger zur Faust zu ballen. Es war ein mühsames Geschäft, doch
langsam breitete sich ein ameisenartiges Kribbeln aus. Zuerst in der Schulter,
dann in den Oberarmen und schließlich bis hinunter zu den Fingern. Zuletzt kam
der Schmerz, als ob der in meinem Kopf noch nicht genug gewesen wäre. Meine
gesamte Muskulatur krampfte, heiße und kalte Blitze durchzuckten die
Extremitäten, und schließlich konnte ich die Arme wieder bewegen. Ich drehte
mich auf den Bauch, was meinem besten Freund gar nicht gefiel, und machte einen
Katzenbuckel. Danach zog ich die Arme unter den Beinen durch, sodass ich sie
wenigstens ansatzweise wieder gebrauchen konnte. Ich griff nach dem Wasserglas.
Meine Hände waren immer noch taub, das Glas entglitt meinem Griff, fiel auf den
nackten Betonboden und zerbrach. Scharfe Scherben überall und das Wasser
verschüttet. Ein Spiegelbild meines Lebens: Viel Anstrengung und Mühe für
nichts.
Scharfe
Scherben. Irgendetwas klingelte bei diesen Worten, und nach einiger
Geistesarbeit kam ich auch dahinter, was: Scharfe Scherben zerschneiden
Fesseln. Ich grinste ansatzweise, lehnte mich vorwärts und klemmte vorsichtig
einen der größeren Scherben zwischen meine Hände. Mit den Daumen fixierte ich
das Glas und begann, die Stricke zu zerschneiden. Irgendeinem Unsympathler war
es eingefallen, durchsichtige Plastikschnüre von vielleicht einem Millimeter
Durchmesser zu verwenden. Mit ziemlicher Sicherheit Angelschnüre. Auf jeden
Fall hatten sie sich tief in das Fleisch meiner Handgelenke gegraben, der
Kunststoff war dunkelrot mit Blut verschmiert. Hoffentlich waren meine Sehnen
heil geblieben. Da noch immer ein gewisses Maß an dumpfer Fühllosigkeit
vorhanden war, ließ sich der gegenteilige Fall noch nicht ausschließen. Die
Schnüre boten einen unschönen Anblick, stellten aber kein Hindernis für die
Glasscherbe dar.
Meine
Hände waren frei und kurz darauf auch meine nackten Füße, die Schuhe hatte man
mir abgenommen. Die Stahltür war massiv, aber ihr Schloss war primitiv, so wie
man es eben in gewöhnlichen Kellern verwendet. Schließlich kommt niemand auf
die Idee, dass da mal jemand ausbrechen möchte. Da ich weder einen
Allzweckgürtel noch den Laserblick eines Superhelden mein Eigen nennen konnte,
schaute ich mich nach etwas um, das als Dietrich dienen konnte. Doch bis auf
das Bett war das Zimmer leer. Aber auf dem Bett lag eine Matratze, unter der
sich gespannte Federn fanden, als ich sie hochhob. Und wo sich ein metallener
Lattenrost mit Stahlfedern befindet, ist auch ein Stückchen Draht nicht weit.
Gedacht, gefunden. Ein zwei Finger langes Stück davon bog ich zurecht und
spielte ein wenig mit dem Schloss. Es dauerte nicht lange, bis es klickte. Ich
drückte die Klinke, und die Türe öffnete sich. Gleißendes Licht, ein Garten mit
plätscherndem Springbrunnen, bunten Blumen und hellen, lachenden Stimmen lag
vor mir. Doch erst als ich eines Reigens halbnackter, tanzender Mädchen gewahr
wurde, war mir klar, dass ich träumte. Ich schreckte hoch und fand mich noch
immer gefesselt auf dem Bett, noch immer in einem dunklen, leicht schimmelig
riechenden Kellerabteil. Das Glas Wasser vor mir auf dem Boden.
Es
brauchte ein paar Minuten, bis ich der Enttäuschung Herr wurde. »Den Seinen
gibt’s der Herr im Schlaf«, kam mir in den Sinn, und in meinem leicht
verwirrten Geisteszustand fand ich keinen Grund, warum ich die Vorgehensweise
im Traum nicht in die Tat umsetzen sollte.
Meine
Arme waren so taub, dass ich mich mehrmals vom Rücken auf den Bauch wälzen
musste, um herauszukriegen, wo sie sich befanden. Die Gehirnerschütterung
sorgte dafür, dass sich die Wirklichkeit anfühlte wie ein schlechter Traum und
selbst die einfachsten Denkvorgänge stellten mich vor gewaltige Probleme.
Schließlich gelangte ich zur Einsicht, dass meine Hände sich vor meinem Bauch
befanden. Auf dem Rücken liegend blickte ich an mir hinunter. Durch den Nebel
war nicht viel zu erkennen. Ich versuchte durch mehrmaliges Zwinkern für ein
klareres Sichtfeld zu sorgen. Eine unmerkliche Besserung trat ein, irgendwo im
Nebel konnte ich meine Handgelenke entdecken. Ich betrachtete die Fesseln. Mit Glasscherben
würde sich da nichts ausrichten lassen, es waren stählerne Handschellen. So
weit, so schlimm.
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