Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
Augenblick ist Freude in ihren Augen, dann beginnt sie zu schniefen. Es scheint mehr ein Reflex zu sein, aber Sune nimmt sie vorsichtshalber mit rein, um sie zu untersuchen, und hat mich schon vergessen, bevor sie zwei Meter weg ist.
    Es ist mir ein Rätsel, wie sie es schafft, die neuen Kinder immer wieder zu lieben. Sie kümmert sich jahrelang, sieht sie aufwachsen, erzieht sie, ist für einige Jahre mit die wichtigste Bezugsperson. Dann verschwinden die Kinder in die Schule oder sonst wohin, und sie sieht sie nie wieder. Und liebt die neuen wieder. Kein Wunder, dass da keineLiebe für einen Kerl übrig bleibt. Vielleicht ist es das größte Geschenk, das sie der Gesellschaft machen kann, Single zu sein und ihre Liebe anders zu verteilen. Vielleicht ist das das Potenzial für die Singlegesellschaft: mehr Liebe für die Allgemeinheit. Hm.
    Ich warte noch ein paar Minuten, ob sie wiederkommt. Dann stehe ich auf, klopfe mir den Sand von der Hose, öffne das Tor und gehe wieder raus in die Welt.
    Sie sitzen am Kaffeetisch im Esszimmer. Ebba löst Kreuzworträtsel, Far liest ein Fachbuch über Gartenpflege. Ich bleibe vor dem Tisch stehen.
    »Entschuldige, dass es so lange gedauert hat, Sune musste im Kindergarten bleiben, aber wir schaffen es pünktlich, wenn wir sofort losfahren.«
    Ebba hebt den Kopf und schaut Far an. Er blättert eine Seite um, ohne Notiz von mir zu nehmen.
    »Der Arzttermin«, erinnere ich ihn.
    Er liest weiter. Ich lege meine Hand auf das Buch und drücke es runter.
    »Wir müssen los.«
    »Mir geht es gut«, sagt er und versucht das Buch wieder hochzuheben.
    Ich drücke es wieder runter, und für einen Augenblick schauen wir uns komisch an, als uns gleichzeitig klar wird, dass ich mittlerweile stärker bin als er. Er lässt das Buch los, verschränkt die Arme über seiner Brust und schaut beleidigt auf die Kinderwand.
    »Ich verspreche, dich keine Sekunde aus den Augen zu lassen.«
    »Nein.«
    »Niemand wird dich entführen.«
    »Nein.«
    »Ich verteidige dich mit meinem Leben.«
    »Nein.«
    Ich schaue Ebba an. Sie schaut wieder auf ihr Kreuzworträtsel und hilft mir nicht. Ich schaue Far an. Er mustert die Kinderwand, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. O.k., versuchen wir es anders.
    »Diese Tabletten, wogegen sind die?«
    Er wirft Ebba einen schnellen Blick zu und zuckt die Schultern.
    »Schmerzen.«
    »Aha. Und welche Art von Schmerzen?«
    »Schmerzen eben.«
    Prima.
    »Du hast die von deinem Hausarzt verschrieben bekommen?«
    Er nickt.
    »Hansen, ja.«
    »Hat er dir vielleicht auch verraten, wieso er dir diese Hammerteile verschreibt?«
    Er zuckt die Schultern wie ein Dreijähriger, der ins Bett muss, bevor er müde ist.
    »Beschreib mal, wie es ist, wenn du umkippst.«
    »Mir wird schwindelig. Ich falle um. Ich wache wieder auf. Alle schauen mich blöd an.«
    »Wird dir vorher schlecht?«
    »Wenn ich hier nichts gegessen habe, geht es eigentlich.« Ebba hebt den Blick, stupst ihn gegen die Schulter, lächelt aber dabei. Herrje, wenn ich je eine Frau finde, die meine schlechten Scherze so liebt wie sie seine ... Hm. Wenn ich überhaupt eine finde, die sie so liebt. Aber vielleicht liebt sie ja gar nicht die Witze. Vielleicht liebt sie ihn, und die Witze, weil sie von ihm sind. Und jetzt bloß nicht den Faden verlieren, o.k.?
    »Haben die bei dir eine Kernspintomographie gemacht?« Er schaut mich an und lächelt milde.
    »Was bist du – Arzt?«
    »Nein, Sohn.«
    Sein Lächeln wird weicher.
    »Richtig.«
    »Also?«
    »Nein«, sagt er und hebt das Buch wieder an.
    Ich schaue zu Ebba rüber. Sie versucht sich nichts anmerken zu lassen und macht das ganz gut. Ich nehme Far das Buch aus der Hand und schaue ihn an.
    »Wir müssen los.«
    »Nein.«
    »Können wir uns nicht wie Erwachsene unterhalten?« Er merkt auf.
    »Na endlich!« Er richtet sich etwas auf und schaut mich an. »Gut, also, für die Erwachsenen unter uns: Falls ich wieder umkippen sollte, versteck mich und lass mich sterben.« Ich blinzele. Er hält sich die Hand vor den Mund und gähnt.
    »Jesses, bin ich müde. Ich lege mich wieder hin.«
    Mit diesen Worten stemmt er sich aus dem Sessel, gibt Ebba einen kleinen Kuss auf die Wange, seine Hand drückt meine Schulter, dann geht er mit schweren Schritten zum Schlafzimmer und verschwindet darin. Ich schaue Ebba an. Sie steht auf und geht in die Küche. Toll.

 
Kapitel 27
    Der Chefarzt sieht aus wie ein Filmstar, weiße Haare, Golfplatzbräune, weißer Mustache und eine von

Weitere Kostenlose Bücher