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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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diesen goldenen Lesebrillen, die Vorstandsvorsitzende so gerne vor Gericht tragen. Fehlt nur noch, dass er einen Zeigefinger aufs Kinn legt. Momentan hat er dafür keine Zeit, weil er mich argwöhnisch mustern muss.
    »Du bist Damkjær Nielsen?«
    »Der Sohn«, sage ich und brauche wieder einen Augenblick, um mich von dem Du zu erholen.
    Er senkt den Kopf etwas und mustert mich über den Rand der Brille hinweg.
    »Und wo ist der Patient?«
    »Er konnte nicht kommen. Ihm geht es nicht so gut.« Er hebt eine distinguierte Augenbraue.
    »Er kommt nicht?«
    Als Chefarzt muss man eine schnelle Auffassungsgabe haben.
    »Er kommt nicht«, bestätige ich.
    Das bringt mir einen weiteren Blick ein. Er drückt seinen Drehstuhl etwas herum, studiert seinen Computermonitor, streut noch ein paar Blicke ein. Schließlich nimmt er die Brille ab, lehnt sich zurück und klopft sich mit dem Brillengestell auf einen Eckzahn. Ich schaue auf meine Schuhe, um nicht loszuschreien.
    »Bei der Visite muss der Patient eigentlich anwesend sein.«
    »Er kann nicht. Dafür bin ich da. Der Sohn. Ich würde gerne wissen, was mit meinem Vater ist.«
    Er nickt nachdenklich und wirft noch einen Blick auf den Monitor, als könnte sich dort in der Zwischenzeit etwas verändert haben.
    »Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.« »Himmel, Arsch! Wen muss ich vögeln, um hier eine verdammte Auskunft zu bekommen?«
    Er schaut mich entgeistert an. Ich lehne mich etwas vor. »Mein Vater ist krank, und ich würde jetzt wirklich gerne wissen, was er hat.«
    Er mustert mich, dann schaut er wieder auf den Bildschirm und nickt, als würde er etwas bestätigt bekommen, was er schon lange geahnt hat. Er legt die Brille auf den Schreibtisch, stößt sich von der Schreibtischkante ab, sein Stuhl schwenkt langsam herum, bis er mir frontal gegenübersitzt. Dann nimmt sein Gesicht eine Miene an, die wohl mitfühlend sein soll.
    »Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber es sieht nicht gut aus. Bei deinem Vater besteht Verdacht auf Krebs. Auf dem Ultraschall sind einige Schatten, es können Metastasen sein, aber um das sicher sagen zu können, müssen wir ihn noch mal untersuchen.«
    Ich schaue aus dem Fenster hinter ihm. In einem Baum hockt ein Eichhörnchen auf den Hinterbeinen und nagt an etwas, das es zwischen den Vorderpfoten hält. Die Äste bewegen sich. Der Wind scheint aufzufrischen. Ich zwinge mich, ihn wieder anzusehen.
    »Wie schlimm?«
    Er nimmt ein kleines Putztuch vom Tisch, greift nach seiner Brille und beginnt, die Gläser zu reinigen.
    »Darm und Magen können stark befallen sein, doch das größere Problem wäre die Leber. Da ist ein dunkler Punkt, der mir nicht gefällt. Kann ein Gefäß sein, kann etwas anderessein. Und mit der Leber, das ist immer so eine Sache. Ich empfehle schnellstens eine Biopsie und je nach Diagnostik gegebenenfalls sofort zu operieren.«
    »Wie lange?«
    Er weicht meinem Blick aus und klackert mit der Brille zwischen seinen Zähnen.
    »Die Untersuchungsergebnisse liegen innerhalb einer Woche vor, danach würde der Eingriff erfolgen.«
    »Wie lange?«
    Er mustert mich und runzelt die Stirn.
    »Wie ich schon sagte ...«
    »Wie lange?«, unterbreche ich ihn.
    Er öffnet den Mund, sieht meinen Blick, schließt ihn wieder, hält die Brille gegen das Licht und mustert die Gläser.
    »Bevor die Untersuchungsergebnisse nicht vorliegen, wäre es unseriös, eine Prognose zu treffen.«
    »Wie.« Ich lehne mich wieder etwas vor. »Lange.« Er schüttelt den Kopf.
    »Ohne die Untersuchungsergebnisse ist es unmöglich ...« Ich schlage mit meiner rechten Handfläche auf die Tischplatte. Der Knall lässt ihn zusammenzucken. Der Schreck fährt ihm in den Blick. Er atmet etwas schneller. Ich nagele seinen Blick fest.
    »Wie lange?«
    Er rutscht ein Stück weiter nach hinten.
    »So etwas kann niemand genau sagen, vielleicht ein Jahr, vielleicht mehr, je nachdem wie die Operation verläuft. Wie gesagt, das ist keine offizielle ...«
    »Wird er leiden?«
    Er zögert. Ich starre ihn an. Er rückt noch etwas weiter vom Tisch weg.
    »Er wird eine gute Schmerztherapie brauchen«, sagt er schließlich. »Tut mir leid.«
    »Und wieso kippt er um?«
    Er runzelt die Stirn. Seine Augen flackern zum Bildschirm.
    »Er kippt um?«
    »Deswegen wurde er ja eingeliefert.«
    Er drückt gegen die Tischkante. Sein Sessel schwenkt wieder herum, er starrt auf den Bildschirm.
    »Davon steht hier nichts.« Er fährt mit der Maus hin und her. »Wurde

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