Beziehungswaise Roman
atme tief ein und aus. Noch ein einziger blöder Witz und ich springe aus dem Fenster.
»Falls du etwas brauchst, sag es«, sage ich und stoße mich vom Türrahmen ab.
»Mach dir keine Sorgen, mir geht’s toll. Ich liege herum, und alle bringen mir, was ich will. Jesses, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich früher gestorben.«
Er reißt den Mund auf und wackelt mit den Augenbrauen. Scheiße. Es reicht. Ich hole Luft, um ihn zusammenzustauchen, als es in mich fährt. Ich sinke schlapp gegen den Türrahmen. Nach einiger Zeit hört Far auf herumzualbern und schaut mich erst belustigt, dann stirnrunzelnd an.
»Was machst du da?«
Ich nicke bloß. Atemlose Schwäche.
Er richtet sich langsam im Bett auf. In seinem Blick ist jetzt nur noch Besorgnis.
»Was auch immer du da machst, hör damit auf.«
Ich winke schwach mit einer Hand ab.
»Du hast recht«, sage ich leise.
»Ja, aber womit?«
Ich mache eine Handbewegung, die alles und nichts bedeutet, denn, Himmel, er hat wirklich recht. Er blödelt lieber, statt zu jammern – wie kann mich das nerven? Ist Jammern etwa besser? Nein. Ist es nie. Wenn er die Situation bewitzeln will, ist das extrem, aber wenn schon extrem, dann lieber das als das extreme Gegenteil. Wieso werde ich sauer? Er schützt uns doch bloß. Und sich selbst. Und er hat das Recht auf eine eigene Haltung oder etwa nicht? Außerdem war er schon immer so. Wie kann ich von ihm verlangen, sich ausgerechnet jetzt zu verändern?
Sune kommt aus dem Esszimmer, bleibt neben mir stehen und schaut erst zu Far, dann erleichtert zu mir.
»Was ist, fährst du mich jetzt oder ...«, sie verstummt, runzelt die Stirn und mustert mich besorgt, »was ist los?«
»Er hat recht.«
Beide mustern mich argwöhnisch. Ich reiße den Mund aufund wackele mit den Augenbrauen. Sune mustert mich, als hätte ich ihr vorgeschlagen, ein Kind zu grillen. Fars Gesichtsausdruck dagegen nimmt eine leichte Belustigung an.
»Jetzt dreht er durch.«
Ich schüttele den Kopf.
»Nein. Klasse. Alles klar.« Ich schaue Sune an. »Fahren wir, Schatz.«
Ich kniepe Far zu, entlocke ihm ein Stirnrunzeln und gehe auf wackligen Beinen los. Sune verabschiedet sich von Far und folgt. Als wir die Treppe hinuntergehen, fragt sie, was da eben los war. Ich sage, nichts. Sie glaubt es nicht, wird aber abgelenkt, denn zwischen erster und zweiter Etage ist ein Loch im Putz, als hätte jemand mit einer harten Faust reingeschlagen.
Wir rollen ruhig durch den Verkehr. Ich denke an Far. Ab sofort werde ich ihm wirklich eine Hilfe sein und die Dinge so handhaben wie er. Mal schauen, wie er damit klarkommt. Vielleicht sollte ich mein restliches Leben ebenso angehen. Mein Mädchen. Meine Freunde. Mein Zuhause. Bis auf meinen Job sehne ich mich nach allem. Eigentlich eine gute Quote. Also kann mein Leben gar nicht so schlecht sein. Bis auf die Tatsache, dass Far krank ist. Und ich auf der Bühne zum Asi mutiert bin. Und die Bank mir mein Heim wegpfänden wird. Und meine Beziehung vorbei ist. Und meine Ex zehntausend Kilometer weit wegzieht. Zieht sie doch, oder? Hallooo! Aufhören!! Herrgott, du und deine bescheuerte Hoffnung!! Die Probleme sind immer noch dieselben, also benutz deinen Verstand!! Sei schlau!! Genau. Ratio beats emotion. Das ist intelligent. Aber ist es auch gut?
»Du fährst wie ’ne Oma.«
Ich nicke, ohne die Augen von der Straße zu nehmen.
»Stell dir vor, ich mache einen Kratzer rein. Du weißt ja, wie er mit dem Wagen ist.«
Im selben Moment fällt mir ein, dass er den Wagen vielleicht nie wieder fahren wird. Vielleicht nie wieder sehen wird. Doch ein Problem wird dadurch gelöst, denn wenn Far stirbt, erbe ich. Erben. Sterben. Ich profitiere von seinem Tod. Kranker Gedanke.
Ich werfe Sune einen Blick zu. Sie mustert das Handschuhfach, das voller Gegenstände von ihm ist. Seine Lederhandschuhe. Hustenbonbons. Landkarten.
»Hast du heute Nacht an mir herumgefummelt?«
Sie dreht ihren Kopf und schaut mich entgeistert an. Ich nicke nachdenklich.
»Hm, ja, irgendwas war da. Na ja, kein Wunder, wenn ich bedenke, wie lange du nicht mehr einen gut aussehenden Kerl unter der Decke hattest.«
Sie verzieht das Gesicht.
»Wehr dich nicht dagegen«, lege ich nach, »ich spür doch dein Verlangen.«
Sie öffnet den Mund, steckt einen Finger halb rein und gibt Würgegeräusche von sich. Ich erkläre ihr geduldig, dass Menschen, die ihr Verlangen zu lange unterdrücken, irgendwann explodieren, und ich möchte nicht eines Tages
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