Beziehungswaise Roman
...
Vor uns biegt der Bus zum Ankunftterminal ab. Ich bleibe auf Abstand und fahre erst vorbei, als er von der Straße ist, dann werfe ich wieder einen Blick rüber. Tess starrt durch die Frontscheibe, während ihre rechte Hand an einem ihrer Kostümknöpfe dreht.
»Vielleicht kann ich nächstes Wochenende wieder freimachen«, sagt sie rau.
»Das wäre schön«, sage ich und fahre vor dem Abflugterminal vor. Ich halte in der zweiten Reihe vor einem Taxistandund fange mir Blicke und Zeichen ein. Ich ignoriere sie und strecke die Hand aus, um meinen Gurt zu lösen. Sie legt ihre Hand auf meine und schüttelt den Kopf.
»Fahr zurück, Ebba ist ganz allein mit Far, und wenn er noch mal umfällt ... «
Ihre Stimme ist dünn, ihr Gesicht gerötet. Ihre Augen füllen sich. Ich öffne meine Arme, sie kommt mir schnell entgegen, presst ihr Gesicht gegen meine Brust und verbirgt es schluchzend.
»Ach, Süße«, flüstere ich und wiege ihren Oberkörper in meinen Armen. »Es ist so schön, dass du gekommen bist. Far hat sich so gefreut. Und ich. Es wird wieder gut. Glaub mir. Es wird wieder gut.«
Ich flüstere weitere Notlügen und wiege sie. Sie schluchzt unterdrückt. Ich küsse ihre Haare und atme ihren Geruch ein. Sie klammert sich noch fester an mich. Ein Taxifahrer kommt auf den Wagen zu. Ich winke – bin gleich weg. Er kommt dennoch näher und macht Zeichen, dass ich das Fenster runterfahren soll. Ich hebe ruckartig Kopf und Augenbrauen. Er wird langsamer, und nach einem weiteren Zögern macht er ein Wegfahrzeichen und steuert wieder seinen Arbeitsplatz an. Ich werfe einen Blick auf die Armaturenuhr. Wir haben Zeit, also sitze ich da und warte, bis sie wieder ruhiger atmet. Über uns geht ein Flugzeug steil in den Himmel.
Schließlich löst sie ihre Arme und richtet sich auf. Sie wischt sich über die Augen, wirft einen Blick auf die Uhr und klappt die Sonnenblende herunter, um sich in dem kleinen Spiegel zu mustern. Sie zieht eine Grimasse, wischt sich mehrmals über die Augen. Als sie sich begutachtet hat, klappt sie den Spiegel hoch und wendet mir ihr Gesicht zu. Mein Herz schlägt laut in meiner Brust. Nie sah sie schöner aus. Sie holt Luft und wirft mir dann einen unsicheren Blick zu.
»Rufst du mich heute Abend im Hotel an?«
»Ja«, sage ich. »Alles in Ordnung?«
Sie lehnt sich rüber und legt ihren Kopf an meine Brust. »Nein«, sagt sie. »Alles in Unordnung.«
Sie hebt ihren Kopf und küsst mich. Ein Funke sprießt. Ich lege meine Hand in ihren Nacken und presse ihren Mund auf meinen. Ganz kurz schlüpft ihre Zunge in meinen Mund und bringt dort alles durcheinander, dann löst sie sich, zieht sich auf den Beifahrersitz zurück und schaut kopfschüttelnd weg.
»Was machen wir?«, flüstert sie.
»Deinen Flug verpassen.«
Sie sitzt einen Moment still. Dann nickt sie, lehnt sich vor, streckt ihre Hand aus und legt sie warm auf meine Wange. »Wenn du dich einsam fühlst, denk an mich. Ich denke an dich. Die ganze Zeit.«
Sie verharrt so und schaut mir eine kurze Ewigkeit in die Augen. Dann nimmt sie ihre Hand von meiner Wange und steigt aus. Sie geht schnell auf den Terminal zu. Eine zu leicht bekleidete Frau, die es eilig hat.
»Das tue ich seit Jahren.«
Bevor sie durch die Glastür verschwindet, schaut sie noch mal über die Schulter und winkt. Der Wind zerrt an ihr. Blicke haften an ihr. Sie verschwindet. Aus den Augen, aus dem Sinn? Im Gegenteil.
Als ich in die Wohnung komme, sitzen eine Frau und ein Mann, Mitte dreißig, im Wohnzimmer und trinken Käffchen. Sie lächeln mich an.
»Hej, das ist Lasse, der Sohn«, sagt Ebba. »Das sind Ole und Helle vom Pflegedienst.«
Ich schaue Sune an. Sie schaut etwas trotzig zurück. Helle steht auf und streckt mir eine schlanke Hand entgegen. »Hej, Helle«, sagt sie ruhig und lächelt freundlich.
»Hej, Lasse.«
Der Mann, ein Bär von einem Mann mit einem Ring im linken Ohrläppchen, streckt ebenfalls die Hand aus, aber ohne sich zu erheben.
»Hej, Ole.«
Ich schüttele seine Pranke. Dabei fällt ihm ein Krümel aus dem Vollbart. Er grinst breit.
»Mann, siehst du deinem Vater ähnlich.«
»Danke«, sage ich und schaue mich um.
»Er schläft«, sagt Ebba. »Helle und Ole werden zweimal am Tag nach Far sehen.«
»Mit Option auf viermal täglich, wenn nötig«, sagt Sune. »Aha«, sage ich und setze mich.
Ich gieße mir auch ein Käffchen ein. Zwischen den Tassen und Tellern liegen einige amtlich aussehende Dokumente. Ich erkenne Fars
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