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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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meinen entgegen.

 
Kapitel 31
    Meine Linguistikkellnerin ist diesmal nicht da. Stattdessen steht ein vollbärtiger Typ hinter der Theke. Er wirkt wie das Klischee eines Heavy-Metal-Bassisten: ärmellose Lederjacke mit Bandaufklebern, kräftige Arme, Bauch, lange schwarz gefärbte Haare, Jeans, Motorradstiefel. Im dem Laden läuft freier Jazz. Entweder wird ihm die Musik vorgeschrieben, oder sein Musikgeschmack ist besser als sein Modegeschmack. Er kommt zum Tisch, nickt erst Sune zu, dann mir, nimmt erst ihre, dann meine Bestellung auf, wechselt den Aschenbecher aus, wirft ihr noch einen Blick zu und geht wieder – und das alles, ohne dass Sune ihn auch nur einmal angesehen hat.
    »Klasse.«
    Sune hebt den Blick von ihren Fingern.
    »Was?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Sag mal, im Ernst, wann genau warst du zuletzt mit einem Kerl aus?«
    Sie scheint wirklich darüber nachzudenken. Dann zuckt sie die Schultern.
    »Keine Ahnung.«
    »Dann muss es ja verdammt lange her sein.«
    Sie zieht die Schultern noch mal hoch.
    »Es fehlt mir nicht.«
    »Ich bin stolz auf dich.«
    »Ha, ha ...«
    »Nein, ich meine, wegen dem, was du heute auf die Beine gestellt hast. Ich hätte es nicht gekonnt.«
    Sie lächelt verlegen.
    »Ach was ...«
    »Doch, doch«, ich nehme ihre Hand, »es ist ein großartiges Gefühl, dass ich mich auf dich verlassen kann. Das bedeutet mir sehr viel. Danke.«
    Sie mustert mich, den Mund leicht geöffnet. Dann werden ihre Augen feucht, und sie senkt das Gesicht. Der Bassist bringt uns zwei Tuborg. Er wirft Sune einen Blick zu, checkt dann kurz mein Gesicht, entdeckt dort nichts, was ihn weiter auf den Plan ruft, also zieht er sich an die Theke zurück. Sune atmet tief ein und mustert die Tischplatte. »Weißt du noch, wie Far uns weismachen wollte, dass sein Husten vom Bier kommt, damit wir nie anfangen zu trinken?«
    »Tuborgkulose«, sagt sie und starrt weiterhin auf die Tischplatte.
    Ich witzele darüber, dass er und Roland vielleicht zu viele Lösungsmittel eingeatmet haben und Far seinen Job nur deswegen so geliebt hat, weil er ständig high war. Das entlockt ihr ein kleines Lächeln. Wir trinken und reden über alte Zeiten. Beim zweiten Bier sind die neuen dran. Was machen wir mit all den Sachen? Wollen wir das Sommerhaus behalten? Keiner von uns kann sich vorstellen, ohne das Sommerhaus zu sein. Keiner von uns kann sich vorstellen, dort ohne Far zu sein. Den Wagen will auch keiner. Ich fahre lieber Rad, und Sune hat keinen Führerschein. Beim dritten Bier verkaufen wir alles. Als der Bassist uns das vierte bringt, bleibt er stehen und fragt, ob alles o.k. sei. Wir nicken. Auch die Musik? In seiner Stimme schwingt etwas mit. Ich höre genauer hin. Immer noch diese verdaddelte Jazzrocksache. Klingt, als hätten die Musiker sich nicht auf eine gemeinsame Tonart einigen können. Sunesagt, ihr gefalle die Musik. Er reicht ihr einen Flyer und beginnt von seiner Band zu reden, ich muss plötzlich dringend pinkeln.
    Das Telefon hängt neben dem Männerklo. Während ich den Apparat mit Kronen füttere und Tess’ Nummer in die Tasten hacke, verschwinden ein paar Leute durch die Tür, und jedes Mal dringt ein Schwall Kloduft an meine Nase. Einer der Augenblicke, in denen ich mir wünsche, ich hätte ein Handy.
    Es klingelt fünfmal. Als ihre Mailbox anspringt, ist es wie ein Eimer kaltes Wasser. Das Handy ist nicht aus. Es klingelt. Aber sie geht nicht ran. Ich spreche eine kurze Nachricht drauf, schaffe es aber nicht ganz, den Vorwurf nicht durchklingen zu lassen, und schon weiß ich wieder, wieso ich kein Handy habe. Beim Festnetz weiß man, o.k., niemand kann immer zu Hause neben dem Apparat warten. Doch von einem Handybesitzer erwarte ich, dass er rangeht. Dafür ist das Scheißding doch da, damit man überall erreichbar ist, oder? Ich schaffe es, den Hörer einzuhängen, ohne den Apparat zu zerstören, und fühle mich schlechter als vorher. Scheißmailboxen. Dabei ist sie wahrscheinlich nur an einem lauten Ort. Oder hat das Handy im Zimmer vergessen. Oder badet. Oder. Herrje, Eifersucht. Nach der Beziehung. Wenn es nicht so ein Scheißgefühl wäre, wäre es bestimmt saukomisch.
    Als ich zurückkomme, steht der Bassmann wieder hinter der Theke. Sune sitzt am Tisch und liest sich den Flyer durch.
    »Schwul oder verheiratet?«, frage ich und rutsche hinter dem Tisch auf die Sitzbank.
    Sie hebt den Blick und runzelt die Stirn.
    »Was ...? Ach so. Keine Ahnung, aber schau mal«, sie hält mir den Flyer

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