Beziehungswaise Roman
Wir schaffen es scheinbar auch ohne. Macht das Sinn? Nö. Tut das gut? Au ja! Aber will ich mein ganzes restliches Leben ohne Sex leben? Auf gar keinen Fall. Also muss ich sie irgendwie flachlegen. Genau. Toll. Bloß, dass der Plan in den letzten zwei Jahren nie funktioniert hat. Aber irgendetwas hat sich geändert. Vielleicht geht es jetzt. Genau. Ich vögele sie am Wochenende und verbrenne ihren Pass. Plan X. Prima.
Ich beginne den Tisch abzuräumen. Sune wäscht ab. Wenig später schaut die dicke Nachbarin herein und macht zu laut auf zu fröhlich. Sie steckt den Kopf ins Schlafzimmer, grüßt Far, der davon wach wird, und setzt sich dann ins Esszimmer zu Kaffee und Kuchen. Ich nutze die Gelegenheit, um Far um Rat zu fragen. Unter seiner Anleitung mixe ich etwas Putz zusammen und gehe in den Hausflur, um die Spuren von Rolands Besuch zu beseitigen.
Am Mittag kommt Ole. Far findet das neue Schmerzmittel super, er hätte gerne ein paar Extraspritzen, falls er mal eine Party machen sollte und so weiter. Ich nutze die Auszeit, um in meinem anderen Zuhause anzurufen. Frauke geht beim zweiten Klingeln ran, erkundigt sich nach Far, dann nach mir. Ganz gut, sage ich und verstumme überrascht. Ich horche in mich hinein. Ja. Tatsächlich. Ich fühle mich nicht schlecht. Dagegen wirkt Frauke bedrückt, will aber nicht mit der Sprache rausrücken. Sie liest mir meine Anrufer vor. Clemens hat mehrmals angerufen und ist stinksauer, dass ich nicht gekommen bin. Ach scheiße. Das große Meeting. Ich hätte mich zumindest abmelden müssen, aber das alles ist tausend Lichtjahre weg. Clemens ist allein zum Sender und hat mich mit Todesfall in der Familie entschuldigt. Für einen Augenblick denke ich, er hat sich erkundigt. Dann fällt mir ein, dass es seine Standardausrede ist, denn nur der Tod kann ein Grund sein, einen Sender-Termin zu verpassen. Herrje, ich sollte morgen einfach wegbleiben, vielleicht trifft ihn der Schlag. Aber ... ich würde gerne. Wirklich. Ich habe große Lust, morgen nach Köln zu fliegen, zu lesen und zu sehen, wie die Geschichte auf Fremde wirkt – ohne Fars Performance. Nur der Text. Und ich.
Frauke interpretiert mein Schweigen falsch und startet das größte Ablenkungsmanöver, seitdem Armstrong am Berg schwächelte: Die Katze blablabla, das Künstlerpärchen blablabla, betrunkener Richter blablabla, dümmster Bankräuber blablabla ... Sogar für eine Kifferin ist das hier ein Redeflash von unbekannten Ausmaßen, nur kein Wort über das Arschloch. Hm.
Als ihr nichts mehr einfällt, reicht sie den Hörer an Arne weiter, der mir verrät, dass Nina bei uns schläft, bis sie was eigenes gefunden hat. Ich brauche einen Augenblick, bis ich realisiere, dass ich tatsächlich mit Arne telefoniere. Ichglaube, es ist das erste Mal, dass ich seine Stimme durch ein Telefon höre, seine Stimme klingt völlig anders, gar nicht so bedrohlich. Er fragt, ob ich damit ein Problem habe. Ich sage Nein. Und dann redet er weiter ! Er war gestern Gotcha spielen und hat zwei Großaktionäre erlegt. Er kleidet das Massaker trocken aus, von Opfer aussuchen über Falle stellen bis zu Exekutionen im Namen der Umwelt. Als er verstummt, habe ich zweimal gelacht und sage ihm, dass ich mir wünsche, dass er bei mir ist, wenn ich sterbe. Daraufhin sagt er lange nichts. Aber nicht, weil er mich in einen Hinterhalt gelockt hat, füge ich hinzu. Er legt auf. Freunde. Ich lächele aus dem Fenster.
Es klingelt an der Tür. Diesmal sind es zwei Kids von der Kinderwand, jetzt als Jugendliche. Rene und Stine. Ich habe beide gesittet, als sie klein waren. Schon seltsam, wenn Kinder groß werden. Ich erkenne sie noch und kenne sie nicht. Sie sind genauso verunsichert. Sie haben gehört, dass Far krank ist, und wollten ihn sehen, und jetzt macht er denselben Quatsch wie immer, liegt aber im Bett. Rene versucht sich seine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen, Stine weint so, dass sie nicht mehr sprechen kann. Sie bleiben nicht lange.
Als sie weg sind, sauge ich die Wohnung, Sune hilft Ebba mit dem Mittagessen. Dann setze ich mich hin und schreibe eine weitere Geschichte auf. Es macht Spaß. Ich muss beim Schreiben lachen. Ich bin echt neugierig, wie die Geschichten vor neutralem Publikum wirken. Ich habe Lust , es zu sehen. Darum will ich morgen auftreten. Ja. Aber wie erklärt man das jemandem: Mein Vater ist krank, und ich reise ab, um Fremde zum Lachen zu bringen?? Natürlich könnte ich es auf meine Arbeitssituation schieben, denn wenn
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