Beziehungswaise Roman
hin, »das könnte wirklich ein gutes Konzert werden.«
»Ein gutes Konzert. Hmm hmm... «
Sie richtet sich auf und bekommt etwas Farbe im Gesicht. »Grins nicht so dämlich, hörst du?!«
»Herrje, du musst total verknallt sein, wenn du diesen Mist auch noch live hören willst.«
Ihr Blick wird stechend. Sie schielt schnell zur Theke rüber und lehnt sich vor.
»Hör sofort auf!«, faucht sie. Ihr Kopf leuchtet wie eine Tomate. Ich beiße mir auf die Lippen und senke den Blick auf die Tischplatte. Es dauert zwei grausam verdaddelte Soli, bevor ich wieder den Blick heben kann. Sunes Kopf hat wieder Normalteint angenommen.
»Sune ist verliiiiehibt ...«, flüstere ich.
Ihr Blick huscht wieder zur Theke rüber, bevor sie mich streng anschaut.
»Ich gehe!«
»Sune ist verliiiiehibt ...«
Sie versucht streng zu bleiben, aber ihre Mundwinkel zucken.
»Ich hab gesagt ...«
Sie gibt auf, schließt die Augen und lacht. Ich habe sie schon lange nicht mehr so lachen sehen.
»Sune will ihn küüüssen!«
Ein bisschen zu laut. Sofort hört sie auf zu lachen, wirft einen weiteren Blick zur Theke rüber, dann stiert sie mich an.
»Noch ein blöder Spruch ...«
Schluss. Man kann es übertreiben. Aber Fars Masche gefällt mir. Lachfalten sind besser als Sorgenfalten. Far hat mit seinen vielleicht fünfzig Geschichten Tausende solcher Situationen gerettet. Ich will es ihm nachmachen. Prima. Jetzt brauche ich nur noch Geschichten.
Ebba ist noch wach, als wir hereingepoltert kommen. Sie sitzt am Kaffeetisch und löst ein Kreuzworträtsel unter ihrer starken Leselampe. Wir knutschen sie und albern ein bisschen herum. Mit der Tuborgkulosegeschichte entlocken wir ihr ein Lächeln. Schön ist das. Auch wenn Sune schwört, dass sie nie wieder mit mir ausgeht. Ich verrate Ebba, dass Sune sich verliebt hat. Dafür fange ich mir einen Schlag ein, der mich längere Zeit beschäftigt hätte, wenn ich nicht vorher die Muskeln angespannt hätte, und schon sitze ich wieder auf Sunes Oberkörper und singe, Suneist-verliiiiehibt ... Sie setzt ihre ganze Kraft ein, um mich herunterzustoßen. Ich lasse sie ein bisschen toben, nehme mich vor bösen Beinklemmen in Acht und flüchte schließlich auf die Toilette.
Als ich frisch geduscht und rasiert ins Esszimmer komme, sind die meisten Lampen aus. Ebba ist ins Bett gegangen, und auch Sune hat das Schlaflager auf dem Esszimmerteppich aufgebaut und schläft. Vor ihr auf dem Teppich liegt ein Fotoalbum aufgeklappt, doch sie ist nur bis zur dritten Seite gekommen. Ich nehme das Album weg, lösche das große Licht, knipse Ebbas Leselampe an, setze mich in Fars Ledersessel, nehme mir einen neuen Block aus der Schublade, einen Bleistift. Dann beginne ich zu schreiben.
Als ich den Block beiseitelege und die Leselampe ausknipse, ist Kopenhagen ruhig. Stille Nacht. Irgendwo fährt ein Zug. Sunes leise Atemzüge. Sonst ist nichts zu hören. Aber zu fühlen. Ich ziehe mich aus, rutsche unter die Decke und kuschele mich an meine Schwester. In mir ein warmes Gefühl. Ich habe eine von Fars Geschichten aufgeschrieben und so lange herumformuliert, bis sie im Fluss war. In der deutschen Sprache fehlen einige der Wörter, die er benutzt. Man kann nicht alles adäquat übersetzen, daher musste ich neue Wörter suchen und eigene Formulierungen benutzen,und so wurde die Geschichte immer mehr unsere. Es ist Far pur, aber der Stil ist meiner, und es kribbelt in mir, den Text laut zu hören. Wenn nicht alle schlafen würden, hätte ich ihn längst deklamiert. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich wieder zufrieden nach der Arbeit. Ein Gefühl, das ich vergessen hatte.
Kapitel 32
Am nächsten Morgen ist Far wieder in Laune. Helle war sehr früh da. Ich hörte, wie sie um sechs Uhr die Wohnungstür aufschloss, aus Versehen ins Wohnzimmer ging und erst danach das Schlafzimmer fand, wo sie Far weckte, um ihm seine Spritze zu setzen. Muss seltsam sein, nachts in fremde Wohnungen zu gehen, wenn die Menschen darin noch schlafen. Aber die Spritze wirkt Wunder. Far fühlt sich gut, er ist körperlich schlapp und braucht Hilfe, um auf die Toilette zu gehen, aber davon abgesehen, macht er einen fitten Eindruck. Beim Frühstück albert er herum: Drogen auf Rädern, wenn die Junkies von Istedgade das wüssten. Allerdings rührt er seinen Teller kaum an, weil die Schmerzen beim Verdauen zunehmen. Je weniger er isst, desto weniger Schmerzmittel muss er nehmen, desto klarer ist er, desto mehr schlechte Witze kann er
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