Beziehungswaise Roman
loswerden. Far zelebriert seinen Frühstücksauftritt, und das lenkt mich davon ab, dass ich Tess noch mal angerufen habe und die Mailbox sofort ansprang. Das heißt, sie war seit gestern an ihrem Handy, hat meine Nachricht gehört und sich dennoch nicht gemeldet. Scheißhandys.
Gleich nach dem Frühstück kommen Tante Vivi und Onkel Walter zu Besuch. Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen, und es schockt sie, wie ähnlich ich Far sehe. Wir sitzen ein bisschen zusammen und reden über die letzten Jahre, dann wird Far müde und geht ins Bett. Tante Vivi geht mit ihm ins Schlafzimmer, wo Far dann gleich einschläft. Siekommt bald wieder heraus. Eigentlich wollen wir noch ein Käffchen trinken, doch es nimmt sie zu sehr mit, Far so zu sehen. Walter geht zu ihr, sie bleiben im Flur stehen, sie weint leise, er tröstet, aber es reicht nicht. Walter bringt sie schließlich wieder die Treppe runter und muss sie dabei stützen. Wir schauen ihnen nach und versuchen uns nichts anmerken zu lassen. Bevor die Stimmung sich ausbreiten kann, zucke ich entschuldigend die Schultern und sage, ich hätte ihnen vielleicht nicht erzählen sollen, dass Sune lesbisch ist. Ebba und Sune schauen mich an. Dann geht Ebba in die Küche und Sune ins Esszimmer. Alles klar. Ich arbeite vielleicht besser noch ein bisschen an meinen Witzen.
Das Telefon klingelt. Mein Herz hüpft, doch es ist nur Fars ehemaliger Malerchef, der wissen will, wie es Far geht und wann er ihn besuchen kann. Er kennt mich von klein auf und erzählt von früher.
Als wir auflegen, wähle ich Tess’ Nummer.
»Krytowski«, meldet sie sich.
Im Hintergrund sind Fahrgeräusche zu hören. Mein Herz klopft.
»Ich bin’s. Wieso gehst du nicht ran, wenn ich anrufe?« Vorwurf, Vorwurf. Verdammt, ich hasse es.
»Liebster, ich weiß, tut mir leid, ich hatte keine Sekunde für mich, außer gestern Nacht, und so spät wollte ich nicht bei euch anrufen. Wie geht es ihm?«
»Alles beim Alten. Aber du fehlst.«
»Ja«, sagt sie und klingt, als würde sie mehr sagen wollen, aber nicht können.
»Was machst du?«
»Ich bin auf dem Weg zu meinem Anwalt.«
Ich runzele die Stirn und schaue zur Sicherheit auf einen kleinen Kalender, der auf einem Regal neben Fotos von Far und Ebba steht.
»Am Sonntag?«
»Die Verträge liegen vor. Sie wollen sie möglichst schnell unter Dach und Fach bringen, um das Visum beantragen zu können, und mein Anwalt meint, dass es noch ein paar Dinge zu klären gibt, also leitet meine Assistentin mein Seminar, während ich durch die Gegend fahre, um Kleingedrucktes zu besprechen.«
Sie klingt genervt.
»Klingt, als wäre es eilig.«
Sie antwortet nicht. Stattdessen erklärt sie jemandem den Weg, dann ist sie wieder am Hörer.
»Entschuldige, was hast du gesagt?«
»Es klingt eilig.«
»Ja, es soll bald losgehen, und es gibt in den Verträgen noch einiges zu regeln.«
Bald.
Eine Pause entsteht, in der ich zuhöre, wie der Wagen herumfährt, den Blinker setzt, stoppt, wieder losfährt. Diese Verträge sind wie unsere Scheidungspapiere. Sobald sie die unterschreibt, sind wir erledigt.
»Liebster, alles in Ordnung?«
»Ja. Nein. Die Verträge ... Ich hätte gedacht ... Ich weiß nicht, was ich dachte, aber ... Was ist mit unserem Gespräch gestern am Flughafen? Ich dachte, alles sei in Unordnung ...«
Sie zögert und senkt dann die Stimme.
»Können wir nicht am Wochenende darüber reden?« Ich spüre, wie meine Mundwinkel auseinanderstreben. »Du bekommst wieder frei?«
»Diesmal das ganze Wochenende. Ich komme wieder zu euch hoch.«
»Da wird sich Far freuen.«
»Und ich mich.« Sie atmet tief durch. »Es ist schwer, hier zu sein und nicht zu wissen, was bei euch passiert. Bist dusicher, dass du dir nicht ein Handy zulegen willst, dann könnten wir uns anrufen, wenn uns danach ist, und nicht nur, wenn du einen Festnetzapparat findest.«
»Ich überlege es mir.«
»Tu das bitte.« Die Fahrgeräusche sind verstummt. »Liebster, wir sind da, ich muss. Ich rufe dich morgen Abend an und gebe dir die Flugzeiten durch, ja?«
»Ich freue mich.«
»Wer liebt dich?«
»Du.«
»Sehr.«
Sie küsst in den Hörer, sagt bis morgen und unterbricht die Verbindung. Ich sitze noch etwas auf dem Schemel und schaue aus dem Fenster. Mein Herz singt ein kleines Lied. Was, zum Henker, treiben wir? Paare, die nach der Beziehung noch mal zusammenkommen, tun das doch wegen Sex, oder? Vertrauter Sex mit einem Menschen, der plötzlich wieder aufregend fremd ist.
Weitere Kostenlose Bücher