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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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wird. Bald werde ich wiederkommen. Und bleiben. Solange er mich braucht. Auch weil ich es brauche. Ich mag es, bei ihm zu sein, für ihn und Ebba da zu sein. Endlich habe ich eine Chance, ihnen einen kleinen Teil wiederzugeben. Aber es ist mehr als das. Ich mag die einfachen Dinge, die wir zusammen machen: aufwachen, essen, abwaschen, reden, Käffchen trinken, einschlafen. Endlich wieder Alltag.

 
Kapitel 34
    Auftritte stressen am meisten, wenn der Soundcheck so früh angesetzt wird, dass man danach den halben Tag in irgendeinem Warteraum verbringen muss. Mit der Zeit lernt man, was man tun muss, um Punkt acht wieder auf Spannung zu kommen, aber das macht die Wartezeit nicht angenehmer, und bei TV-Übertragungen ist alles noch schlimmer. Am besten reist man schon im vorherigen Jahrhundert an, um jedem seinen sauwichtigen Wunsch zu erfüllen. Zuerst wurden wir gebrieft, dann ging es in die Maske, dann ging es zum Soundcheck, bei dem die anderen Künstler nicht zuschauen durften und bei dem mich Rich gleich im ersten Satz unterbrach, um mir vor versammelter Mannschaft einen Anschiss wegen meines »Ausrasters« letzte Woche zu verpassen. Er versprach mir, Gosh, mich heute knallhart stillzulegen, wenn ich auch nur mal blöde gucke. Während der Ansage kaute er wütend auf seiner Zigarre herum wie John Wayne in einem Kriegsfilm. Als er sich anschließend Fars Geschichte anhörte, grummelte er irgendwas vor sich hin, das schon versöhnlicher klang. Nach dem Soundcheck mussten alle für Backstageinterviews herhalten, und seitdem stolpert ein Kamerateam pausenlos begeistert hinter uns her. Es filmte den UFZ sogar, als er sich in den Zähnen stocherte. In der Maske hielten sie so drauf, dass die Maskenbildnerin sie bitten musste, etwas Abstand zu halten, da das Make-up zu zerfließen begann. Als Krönung folgte die Begrüßung derJury. Wieder ausgewiesene Fachleute: ein Starkoch, eine Schauspielerin, ein Kölner Karnevalist, ein Sportmoderator. Und, um Gottes willen, ein Priester mit einer Nachmittagstalkshow. Sie schüttelten unsere Hände, freuten sich über unsere riesige Chance und führten sich auf, als ginge es um einen Wirkstoff gegen Krebs. Als sie weiterzogen, hauten sich alle wieder hin. UFZ spielte Playstation, Kohl deprimierte vor sich her, Kanacke übte Scheißesein, und ich schrieb die Geschichte von Far und Roland so oft ab, dass ich aufpassen musste, nicht die Bedeutung der einzelnen Wörter zu vergessen. Die Kollegen von der Berliner Qualifikation sind ebenfalls alte Hasen. Zwei Frauen, zwei Männer, eine Transe. Alle mit Quatsch-Comedyclub-Erfahrung. Eigentlich ist jeder von ihnen zu gut für eine Talentshow. Ich bin scheinbar nicht der Einzige, den der Karriereschuh drückt.
    Die Einzige, die wirklich Berechtigung hat, heute hier zu sein, ist Nina. Sie sitzt auf ihrem Stuhl und blättert unaufgeregt in einem Magazin. Um sie muss man sich keine Sorgen machen. Und um mich auch nicht. Gegen Kanackes Herkunftsmasche und, ja, ja, sein verdammtes Können habe ich zwar noch nie gut ausgesehen, und zwei der Berliner haben dieselbe Klasse wie er, aber mit Fars Geschichte fühle ich mich frei. Herrje, ich freue mich auf meinen Auftritt. Endlich wieder das schöne Gefühl, dass ich gar nicht scheitern kann, weil die Geschichte für sich steht. Dieses Gefühl hatte ich früher oft. Damals war es Naivität, heute ist es Gewissheit. Ein ähnliches Gefühl hatte ich, als ich Tess kennen lernte. Ich wusste einfach, was jetzt folgt, wird gut. Es wäre ein wunderschöner Abend, wenn mir nicht die ganze Zeit diese kleine nervende Stimme zuflüstern würde, dass es keine Garantie gibt, dass Far seinen Teil der Wette einhalten kann. Hallooo! Entspann dich! Er stirbt noch nicht! Ihr habt einen Deal!
    Der UFZ setzt sich neben mich, streckt die Beine aus und schüttelt den Kopf.
    »Mann, was wollen die bloß hier?«
    »Dasselbe wie wir: Messemoderationen vermeiden.«
    Für einen Augenblick schaut er mich verständnislos an, dann folgt er meinem Blick zu den Berlinern rüber und schüttelt den Kopf.
    »Nein, ich meine die Jury. Ein Koch, ein Karnevalist und dann ein Priester ... wenn das meine Eltern wüssten.« »Genau«, sage ich. »Da lässt du dich zum Atheisten erziehen, und dann sitzt Gott doch noch über dir zu Gericht. Und, hui, das Gericht wird auch noch von einem Fernsehkoch zubereitet.«
    Er steigt nicht drauf ein.
    »Ich bin katholisch erzogen und finde das einfach nicht richtig.« Er zuckt die Schultern. »Ein

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