Beziehungswaise Roman
Ein leichtes Blubbern zieht durch meine Brust, wie Luftblasen, die an die Wasseroberfläche wollen.
»Süße, wirklich, ich ...«
»Hi, Puppe!«, tönt eine blecherne Stimme laut neben uns. Wir schauen uns beide überrascht um. Niemand zu sehen. »Gosh, dein Arsch hatte immer Klasse, aber jetzt sieht er einfach umwerfend aus«, krächzt die Monitorbox und hustet raschelnd.
Ich schaue zum Regiepult rüber, ziehe die Augenbrauen hoch und forme »Puppe« mit den Lippen. Tess folgt meinem Blick, entdeckt Richs weißen Wuschelkopf und winkt.
»Falls du nach der Show mit mir durchbrennen willst, nicke zweimal.«
Tess nickt viermal. Ich verpasse der Monitorbox einen Tritt.
»Autsch. Also, ich hol dich nachher ab. Und sag deinem Typen, dass er sich heute beherrschen soll, noch mal so ’n Scheiß wie letzten Montag und ich dreh ihm den Saft ab.« Ein paar der Herumstehenden lachen. Der Kameramann kommt so schnell auf die Bühne gesaust, dass er sich beinahe langlegt. Die Tonfrau müht sich verzweifelt ab, an ihm dranzubleiben. Er wirft sich neben mich auf die Knie, filmt und murmelt Krass , während er den Augenblick für die Ewigkeit festhält. Willy Brandts Kniefall in Polen, die Wiedervereinigung, ein Comedian redet mit seiner Ex.
Im Publikum werden immer mehr Leute auf die Szene aufmerksam. Eine kleine Frau winkt und hüpft und ruft irgendwas herüber, was Gelächter auslöst. Ich verstehe kein Wort. Tess lacht und schaut mich dann gickelnd an. »Kennst du sie?«
Ich werfe der Frau noch einen Blick zu.
»Nie gesehen.«
Tess hebt eine Augenbraue.
»Und wieso sollst du ihr Tiernamen geben?«
Ich schaue sie fragend an. Der Kameramann drückt mir die Linse ins Gesicht. Ich senke die Stirn und verpasse derKamera einen kleinen Stupser, höre ein erstauntes Oh und nutze den Freiraum, um Tess einen undokumentierten Kuss zu geben.
»Ich komme gleich nach der Show zu euch, dann hauen wir ab hier, ja? Und sag Frauke, dass Kiffen in der Öffentlichkeit verboten ist. Sie sollte das eigentlich wissen.«
»Hab ich ihr schon gesagt, aber sie ist schlecht drauf. Ich glaube, sie wäre lieber im Knast als nüchtern.« Sie nimmt mein Gesicht in beide Hände. »Liebster, egal, ob du heute gewinnst oder nicht, du bist und bleibst mein Held. Aber wehe du bist schlecht! Ich bin nicht so weit gereist, um mir einen Loser reinzuziehen!«
Sie lächelt zuckersüß.
»Danke schön«, sage ich.
Als ich aufstehe, hat die Kamera sich erholt und klebt wieder an mir.
»Film mal das«, sage ich und winke zu der kleinen Frau rüber. »HAUSKATZE!«
Sie reckt sofort die Arme in die Luft und johlt. Viele der Herumstehenden lachen. Erster Lacher vor der Show. Ich sollte mir angewöhnen, immer vorher rauszugehen und rumzuknutschen, kommt scheinbar gut an. Der Kameramann findet es Derbe und hält drauf. Während er die Zuschauer filmt, winke ich meinen Leuten zu und ziehe mich zurück.
Wenn man sich mit Comedians unterhält, die seit Jahren ausverkaufte Häuser haben und Tausende DVDs verkaufen, erfährt man zu seinem Erstaunen, dass es auch für die noch immer ein Rätsel ist, wann das Publikum lacht. Natürlich gibt es todsichere Gags, und wenn die Leute das Programm bereits von CDs oder DVDs kennen, neigen sie dazu, an den Stellen zu lachen, an denen das CD- oder DVD-Publikum vorgelacht hat. Dennoch ist es jeden Abend einbisschen anders. Und niemand weiß warum. Es gibt noch nicht mal brauchbare Thesen, wieso das Publikum jeden Abend an unterschiedlichen Stellen lacht, denn regionale Unterschiede sind auch nicht der Grund: Man kann zwei Abende hintereinander in demselben Club auftreten – das Publikum lacht verschieden. Ein Rätsel. Im nationalen Künstlertopf wartet eine große Summe auf den Entdecker, der dieses Rätsel lüftet.
Ebenso seltsam ist es, dass man an manchen Abenden viel Applaus bekommt, obwohl man schlecht war, und nach einem Topformabend schon mal mit freundlichem Applaus klarkommen muss. Manchmal verpufft ein Monstergag wirkungslos, dafür bricht in der nächsten Satzpause ein Begeisterungssturm aus, bei dem man einen Blick über die Schultern wirft, um sicherzugehen, dass keiner hinter einem steht und Grimassen schneidet. Livepublikum bleibt ein Rätsel. Robert Mitchum sagte mal über Schauspielerei: Sei pünktlich, beherrsche den Text und stoße nicht an die Möbel. Für einen Comedian könnte es ähnlich einfach sein, denn das Beste, was man tun kann, ist tatsächlich proben, seinen Text flüssig bringen und, wenn
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