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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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Würdenträger sollte sich nicht als Hansel der Unterhaltungsbranche hergeben.« »Ach was«, sage ich und nehme die Vorlage dankbar an, »die katholische Kirche ist doch schon lange im Showbiz. Schau dir bloß den letzten Weltjugendtag an. Eine riesige Bühne, Hunderttausende Fans, Merchandising, eine Monster-P.A – und die Lightshow war von Gott himself! Fetter geht’s nicht.«
    Er lacht nicht.
    »Und für Comedy ist die Kirche erst recht prädestiniert«, fahre ich fort. »Schau dir ihre Haltung zur Verhütung an. Die Leute sollen lieber sterben, als ein Kondom zu benutzen, das kann ja nur ein Witz sein.«
    Er nickt langsam.
    »Die Haltung zur Gleichberechtigung ist auch nicht ohne«, sagt er.
    »Stimmt. Immerhin halten sie über die Hälfte der Menschheit für minderwertige Menschen. So ’ne Quote hatten gerade mal die Nazis.«
    Er starrt mich an. Ich wackele mit den Augenbrauen.
    »Und die Kreuzzüge, weißt du, das waren eigentlich die ersten Welttourneen für Kampfsportler.«
    Er beginnt zu grinsen, findet langsam Gefallen an dem Stuss.
    »Ich weiß, was Inquisition war«, sagt er.
    »Na?«
    »WM im Foltern.«
    So blödeln wir weiter, bis Clemens seinen Auftritt hat. Er platzt in den Raum, im Gefolge ein paar Typen, denen man das Speichellecken aus hundert Metern Entfernung ansieht. Ein paar Meter dahinter folgt BH. Heute ganz in Weiß. Sie sieht aus wie eine Braut. Bis auf den Ausschnitt. Wobei der ihr heute sicher auch ein paar Anträge einbringen wird. Clemens zieht die übliche herzliche Begrüßungsshow ab, doch während er für die Galerie strahlt und meine Hand schüttelt, hagelt es Vorwürfe zwischen zusammengebissenen Zähnen: Wo war ich! Meeting verpasst! Unentschuldbar! Unprofessionell! Handy besorgen! Ich lasse es über mich ergehen und wünschte, ich hätte tatsächlich ein Handy, dann könnte ich jetzt Far anrufen. Abrupt schaltet Clemens auf Motivator um: Heute große Chance! Unterhaltungschef vor Ort! Aggrocomedy! Super! Gewinnen! Während der Kanonade schaut er an mir vorbei. Als ich seinem Blick folge, sehe ich, dass der Kameramann auf uns zukommt, um die große Sache festzuhalten. Ich lasse Clemens’ Hand los und wende der Kamera den Rücken zu. Clemens wechselt ansatzlos zu Nina rüber, setzt sich neben sie, legt ihr eine Hand um die Schultern und strahlt in die Kamera. Ich übergebe mich wirklich selten, aber zur Sicherheit stehe ich auf, übersehe den Blick von BH und mache mich auf den Weg zur Bühne.
    Hinter dem Vorhang ist es alles andere als ruhig. Unter den Mitarbeitern herrscht diese nervöse Zappeligkeit, die voreiner Liveaufzeichnung in der Luft liegt. Man kann die Anspannung spüren. Einer der wenigen Augenblicke, wo Fernsehen noch aufregend ist. Was muss das in den Fünfzigern für ein großartiges Gefühl gewesen sein: am Nachmittag die Gags schreiben und sie abends live vor einem Millionenpublikum präsentieren. Jeder Fehler, jeder Lacher, alles war live. Jeden Abend. Heutzutage werden sogar Liveübertragungen mit einem Delay versehen, damit der Sender eingreifen kann, falls irgendjemand die Chuzpe haben sollte, vom Skript abzuweichen. Ich bin dreißig Jahre zu spät geboren.
    Ich lasse meinen Blick durch die Halle schweifen, die sich langsam füllt. Mit unkostümiertem Publikum. Hurra. Jemand stellt sich neben mich.
    »Du warst neulich so schnell weg.«
    Für einen Augenblick befürchte ich, Ziel einer BH-Offensive zu sein, doch neben mir steht meine ehemalige Lieblingsex. Heute hat sie ihre roten Haare hochgesteckt und trägt einen Businessanzug. Für eine Sekunde impliziert mein Gehirn die Möglichkeit, dass Tess neben mir steht. Ich starre sie an. Gott, ja, da ist eine Ähnlichkeit. Und Anja arbeitet auch immer und trägt dabei ebenfalls diese Businessrüstung. Das tat sie damals, als wir zusammen waren, auch schon – und ich fand es toll. Herrje. Stehe ich auf Workaholics? Fand ich das mal spannend? Wenn ja, bin ich froh, dass Dinge sich ändern. Was nutzt mir eine Frau mit einer Sechzigstundenwoche?
    »Huhu«, sagt sie und macht eine wischende Handbewegung vor meinen Augen.
    »Nächstes Mal nehme ich eine Arbeitslose.«
    Ihre Augen werden etwas größer, und sie hält ihren Kopf schief.
    »Wie bitte?«
    Ich belächele ihren erstaunten Blick, der mich daran erinnert,wie oft sie meinen Aussagen verständnislos gegenüberstand. Wir passten nicht zusammen, hatten aber eine gute Zeit. Eine sehr gute. Und Sex bis zum letzten Tag. Hm.
    Ich küsse sie auf die Wange.
    »Ja,

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