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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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wie mein eigenes sich verzieht, beobachte seinen Kampf ohnmächtig. Nutzlos. Mein Körper spannt sich an vor Anstrengung, nichts zu tun und zuzuschauen, wie er leidet. Nach einer Ewigkeit lässt das gepresste Keuchen nach, bis er irgendwann wieder fast normal atmet. Sein Gesicht ist schweißüberströmt. Er wirft einen Blick auf sein Wasserglas. Es ist leer. Gut, dass ich es mal merke. Ich fülle es schnell aus der Flasche und halte es ihm an den Mund. Mit einer ungehaltenen Bewegung nimmt er es mir aus der Hand und trinkt selbst. Ich reiche ihm ein Taschentusch. Er gibt mir das Glas zurück, nimmt das Taschentuch und wischt sich das Gesicht damit ab. Er sitzt noch eine Minute so da, dann wendet er mir sein Gesicht zu.
    »Weißt du noch, als ich dir gesagt habe, du sollst nicht reinkommen?«
    »Mir ist gerade nicht nach Spielchen«, sage ich und fülle das Glas wieder.
    »Weißt du es?«, presst er heraus und heftet seine Augen auf meine.
    Es ist ihm ernst.
    »Ja, Herrgott noch mal.«
    Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben zwei Elfmeter in einem Spiel gehalten. Als ich nach dem Spiel nach Hause stürmte, um es meinen Eltern zu sagen, war die Tür zum Schlafzimmer zu. Ich klopfte, er sagte Nein. Ich stürmte rein und bekam das Regal auf den Kopf, das Far gerade über der Tür aufhängen wollte.
    »Hast du damals auf mich gehört?«
    »Nein.«
    »War das schlau?«
    »Nein.«
    »Und, was habe ich damals gesagt?«
    Ich stöhne. Er wartet unnachgiebig und massiert sich vorsichtig den Bauch. Irgendwo im Haus rauscht eine Klospülung. Ich ziehe die Schultern hoch.
    »Dass man nicht alles verstehen muss, manchmal muss man bloß zuhören.«
    »So ähnlich«, sagt er und nickt ernst. »So ähnlich. Ich bin ...« Er verzieht wieder das Gesicht, krallt beide Hände in die Decke.
    O Gott ...
    »Far, du brauchst noch eine Spritze!«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Noch ... nicht.«
    Er wendet sein Gesicht ab, atmet tief ein und lässt die Luft zwischen seinen gespitzten Lippen langsam wieder heraus. Das wiederholt er mehrere Minuten. Es dauert. Und ich sitze neben ihm, kann nichts tun.
    Als er mir sein Gesicht wieder zuwendet, ist es entspannter. Nur etwas Schweiß auf Stirn und Oberlippe zeugen noch von der Schmerzattacke.
    »Ich weiß, dass ihr Zeit braucht, um euch an den Gedanken zu gewöhnen. Ich hatte Zeit. Ihr habt sie auch. Ich sterbe noch nicht.« Er streckt mir seine Hand entgegen. Sie zittert. »Also, sind wir im Geschäft?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Ich kann ihr keinen Antrag machen. Wir haben uns getrennt.«
    Es ist raus. Eine Welle der Erleichterung durchläuft mich, kaum dass ich die Worte ausgesprochen habe. Es ist eine größere Belastung gewesen, es ihm zu verschweigen. Und zu meiner Überraschung mustert er mich nur nachsichtig.
    »Na und?«
    Ich suche in seinem Gesicht nach einem Hinweis, dass er mich veralbert.
    »Du weißt es?«
    Er nickt und lässt die Hand aufs Bett sinken.
    »Hat Tess es dir erzählt?«
    Statt zu antworten, tupft er sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn und schaut mich dann wieder mit diesem milden Blick an.
    »Erinnerst du dich an die Frösche?« Er fährt fort, ohne meine Antwort abzuwarten. »Du hast sie Tag und Nacht beobachtet und dir ihr Verhalten aufgeschrieben. So hast du es früher immer gemacht, ohne Scheu, voll rein in die Sache. Kein Abwägen, kein Zögern, kein Nachdenken. Augen zu und durch. Hättest du dieselbe Energie in Physik gesteckt, würden wir heute zum Mars fliegen.«
    »Und?«
    »Geh die Sache so an.«
    Ich lege den Kopf schief.
    »Ich soll Tess in einen Karton sperren und durchrütteln?« Er lächelt tatsächlich kurz.
    »Wenn man sich liebt, geht immer noch was. Mach ihrden Hof, mach ihr Komplimente, mach ihr Hoffnung, und dann mach ihr den Antrag.«
    Ich nicke ihm anerkennend zu.
    »Kann ich auch so ’ne Scheißegalspritze haben? Die scheinen ja wirklich das Denkvermögen zu optimieren.«
    Er braucht einen Augenblick, dann breitet sich ein Grinsen in seinem Gesicht aus.
    »Halleluja, Junior wird frech.« Er mustert mich einen Augenblick, dann streckt er mir wieder seine Hand entgegen. »Willst du wirklich einem Sterbenden den letzten Wunsch abschlagen?«
    »Hör doch mal zu: Wir haben uns getrennt«, versuche ich es noch mal.
    Er wackelt mit seiner Hand.
    »Lange kann ich sie nicht mehr halten.«
    »Sie geht nach China«, erinnere ich ihn.
    »Schwere Hand«, sagt er und wackelt noch mal.
    Ich mustere ihn. Er wartet und hält die Hand weiter in der

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