Beziehungswaise Roman
Ehrenrunde auf dem Schiffein. Doch wenn ich all das brauchte, um an diesen Punkt zu kommen, ist es o.k. Mehr als o.k. Es ist gut. Großartig. Etwas Klares fließt durch mich hindurch. Gewissheit, dass ich das Richtige tue. Endlich wieder. Far hatte recht: Mach etwas, das dir Spaß macht, und du wirst schon sehen. Ich sehe.
Nach einer letzten Pause setze ich den letzten Satz. Es ist kein Gag. Dementsprechend fliegt der Laden nicht auseinander, als ich Danke sage und mich verbeuge. Aber als ich mich aufrichte und das Saallicht hochgezogen wird, sehe ich das Lächeln tausendfach, und der Applaus ist wie ein Teppich, auf dem ich von der Bühne gleite. Hinter dem Vorhang fallen sie über mich her. Der UFZ setzt die rechte Hand an die Stirn.
»Doktor Jekyll und Mr. Däne«, grinst er. »Erst Aggro und jetzt Seele.«
»Mann, was für ’ne Schlaffischeiße«, murmelt Kanacke und schaut kopfschüttelnd raus in die Halle. »Da kann ich ja jetzt wieder schön Stimmung aufbauen ...«
Nina schiebt ihn mit beiden Händen weg. Einfach so. Dann nickt sie mir zu.
»Das ist eine schöne Geschichte.«
Für einen Augenblick mustern alle sie, dann Kanacke, dann mich.
»Danke schön«, sage ich.
Kanacke hat sich erholt und will was sagen, aber BH moderiert ihn bereits draußen an. Er drückt sich beide Daumen gegen die Brust und grinst in die Runde.
»Gewinner!«, sagt er und geht auf die Bühne.
Wir schauen zu, wie er mit derben Sprüchen in die liebevolle Stimmung knallt und sich damit so was von abschießt. Weiß man. Glaubt man. Hofft man. Doch er grinst die Leute an und lässt nicht nach, rüttelt und zerrt an ihnen wie ein Rottweiler an einem Einbrecher, bis sie schließlichaufgeben und mitmachen. Als er fünf Minuten später grinsend von der Bühne kommt, steht der Laden und fordert eine Zugabe. Es ist zum Kotzen.
Er schüttelt bewundernd den Kopf.
»Verdammt ... und ich werde noch besser ...«
Der UFZ murmelt etwas von standrechtlich, doch ich muss lachen: In seiner gnadenlos selbstverliebten Art wäre er mir glatt sympathisch, wenn er nicht so ein Arschloch wäre. Nina wird aufgerufen. Kanacke bleibt hinter dem Vorhang stehen und schaut zu, wie sie auf die Bühne geht. Er hat sie letzte Woche gesehen und weiß, dass sie ihm den Sieg streitig machen kann. Ihre erste Pause ist eine Spur zu lang. Vielleicht die Nervosität. Das Publikum reagiert nicht. Bei der nächsten Pause zögert sie wieder. Diesmal wird das Publikum unruhig, weil es glaubt, dass sie ihren Text vergessen hat. Mitten in die Unruhe rein bringt sie den ersten Gag und redet gleich weiter. Die Leute richten sich auf, huch, was war denn das? Der war eigentlich zu gut, um Zufall zu sein. Oder? Nina plaudert noch ein bisschen, und als sie wieder den Faden verliert, sind die Leute vorgewarnt, sie bleiben still und warten aufmerksam. Doch Nina steht einfach mit leicht gesenktem Kinn da. Die Pause wird länger, die Nervosität greift langsam wieder um sich, und als sie diesmal den Gag setzt, kriegt sie die Wand. Allein die Erleichterung, dass die Kleine da oben alles unter Kontrolle hat, lässt das Publikum jubeln. Dazu kommt die Begeisterung, dass sie es so faustdick hinter den Ohren hat. Das Publikum weiß jetzt Bescheid, und mit dieser Gewissheit im Rücken lehnt es sich entspannt zurück und genießt die Show. Nina führt sie sachte durch die Nummer und haut immer wieder, wie aus Versehen, einen Killeroneliner raus. Diese Kleine wird eine Große.
»Was war das denn?!«, zischt jemand neben mir.
Ein paar machen: Pscht! Dann sehen sie, wer es ist, undwerden freundlicher. Ich habe ihn schon an seinem Rasierwasser erkannt. Clemens drängelt sich näher an mich heran und senkt die Stimme zumindest etwas, als er mich anfaucht.
»Ich bewerbe dich mit Aggrocomedy, und dann kommt so eine Kaminfeuergeschichte! Das war ja noch nicht mal Comedy! Wieso soll dir der Programmdirektor eine TV-Show geben, wenn du Lesungen machen willst!«
Wegen seinem Geseiere verpasse ich Ninas nächste Pause. »Clemens, lass uns nachher reden, ich will das hier sehen.«
Er schaut mich lange an, dann schaut er raus auf die Bühne.
»Stimmt«, sagt er dann und entspannt sich etwas. »Sie ist gut.« Er schaut noch einen Augenblick raus, dann wendet er mir wieder seine Aufmerksamkeit zu: »Was ist nun mit aggro? Ich sag dir gleich, das mit der Kuschelnummer wird schwer.«
Ich atme tief durch. Vielleicht ist es ihm ja aggro genug, wenn ich ihm eine scheuere.
»Ich will das hier
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