Beziehungswaise Roman
sehen.«
Nach einer Zeit lässt der Geruch nach, aber vielleicht hat er auch nur meine Nase desensibilisiert.
Als BH Nina abmoderiert, steht der Saal, und als sie von der Bühne kommt, schaut Kanacke merkwürdig drein. Ist sogar ihm klar, dass sie abgeräumt hat. Er wendet sich einfach ab und geht. Als ich ihn kennen lernte, hätte er noch gratuliert. Er wird wirklich immer besser.
Der UFZ wird anmoderiert. Er geht raus, die anderen fallen über Nina her. Sie lässt die Anerkennungstour über sich ergehen, und das fällt ihr sichtlich schwerer, als vor Tausenden aufzutreten. Der UFZ macht seine Sache wie immer. Gut. Danach ist Kohl dran. Wir schauen zu, wie er deprimiert auf die Bühne geht, weil er weiß, dass ernicht gewinnen kann. Endlich hat er mal recht. Allen ist klar, dass der Wettbewerb entschieden ist, doch die Show ist noch nicht gelaufen, also gehen alle nacheinander entspannt raus und bringen ihre Nummer. Die Transe, die ich nur aus dem Fernseher kenne, ist live noch besser als vor der Kamera. Aber an Nina kommt keiner ran. Sie gratuliert Nina zum Sieg, bevor sie rausgeht.
Als alle durch sind, folgt eine dreißigminütige Pause, in der sich die Jury zur Beratung zurückzieht, wobei das Einzige, worüber man hier noch beraten müsste, das Deo meines Agenten wäre. Wir hängen backstage rum und warten auf die Verkündung. Nina wird belagert wie ein Popstar: Nicht nur von dem Kamerateam, das alles fett findet, nein – die werten Kollegen kleben an ihr: Bei wem hat sie gelernt, wo tritt sie auf, wer ist ihr Agent, soll man nicht mal was zusammen machen? Selten habe ich Kollegen jemanden so abfeiern sehen, und als BH uns auf die Bühne ruft, wirkt Nina völlig eingeschüchtert. Misserfolg ist scheiße, aber mit Erfolg muss man auch erst mal klarkommen.
Bis auf die Geschmacksverirrung mit Kanacke ist das Publikum klasse. Aufmerksam und fachkundig, das merkt man auch in den Nuancen, als wir nacheinander hinausgerufen werden. Kohl bekommt einen aufmunternden Applaus. Draculina einen blutigen. Der routinierte Berliner bekommt einen langweiligen. Der UFZ einen schneidigen. Ich bekomme einen ruhigen, warmen. Kanacke bekommt einen lauten, kalten. Und Nina bekommt die Wand. Alle Kollegen klatschen mit, und in der Euphorie gehen die folgenden Berliner ein wenig unter, aber auch sie applaudieren. Klar, Showleute sind Showleute, und nirgends wird so geschleimt wie in einem gemeinsamen Finale, wo sich alle echt lieb haben, aber dennoch – fast habe ich das Gefühl, man gönnt es ihr.
Ich winke Tess zu. Sie wirft Kusshände hoch. Neben ihrklatscht Frauke, Arne hat die Arme verschränkt. Wir warten auf die Jury, die auf die Bühne kommt, um sich zu zeigen. Sie lobt eigentlich alle, und dann moderiert BH den Programmdirektor an, der, ins Publikum winkend, auf die Bühne kommt, um den Sieger zu verkünden. Alle Kameras richten sich auf uns, und diesmal bekommen sie wirklich Reaktionen zu sehen, denn Siiiieger iiiiist ... Kanacke vor Nina. Alle starren sich geschockt bis fassungslos an. Das Publikum wird unruhig. Sogar Kanacke scheint es ein bisschen peinlich zu sein. Und schon folgt die Höchststrafe: BH moderiert ihn noch mal an, scheinbar soll der Sieger seine Nummer ein zweites Mal bringen. Erwarten die allen Ernstes, dass wir so lange auf der Bühne stehen bleiben und gute Miene zum fiesen Spiel machen?
Kanacke legt los. Ich werfe dem UFZ einen Blick zu, dann lege ich meinen Arm um Nina und gehe mit ihr von der Bühne. Mitten in Kanackes Text brandet der Beifall so laut auf, dass er unterbrechen muss, weil alle nacheinander winkend von der Bühne gehen. Er wartet das grinsend ab, applaudiert sogar noch hinter uns her und macht dann weiter, als wäre nichts. Leider gut. Ich widerstehe dem Impuls, in seine Monitorbox zu pinkeln, nur um zu sehen, ob er auch damit klarkommen würde.
Backstage fallen alle über Nina her und dokumentieren die Schande der Entscheidung. Ich mache mit, obwohl ich ohne solches Geklüngele heute ja gar nicht hier wäre. Ich frage mich nur, wieso Nina nicht gewonnen hat. Immerhin will Clemens sie aufbauen. Vielleicht geht ihm ja wirklich das Schmiergeld aus. Wieso ich nicht gewonnen habe, weiß ich dagegen ganz genau. Zu wenig Ficken im Text. Doch ich könnte mich kaum besser fühlen. Es ist nicht nur die Erleichterung, dass die Geschichte heute so gut funktioniert hat, sondern die Perspektiven, die daraus resultieren. Ich werde bald meiner schwimmenden Komastationauf Wiedersehen sagen
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