Beziehungswaise Roman
aufsteht, ist sie um diese Uhrzeit schon im Bett, also erkläre ich ihrem Anrufbeantworter, dass ich eben mit einem sehr gut gelaunten Todgeweihten geredet habe und sie vermisse. Ich lege auf und lasse den AB weiterlaufen. Es folgen Partyeinladungen und Nachrichten von Freunden, die sich beschweren, dass ich nie zu erreichen bin und dass ich mir endlich ein Handy zulegen soll. Ein paar Anfragen von Kollegen für Benefizveranstaltungen. Ich sollte sie vielleicht bitten, so etwas für mich zu machen. Dann wieder die Agentur. Drei weitere Nachrichten klingen dringlich, ohne irgendeine Information rauszurücken. Ein Optimist würde hoffen, sie sagen nichts am Telefon, weil sie meine freudige Spontanreaktion auf die riesige Chance, meine Karriere zu reanimieren, live miterleben wollen. Ein Pessimist könnte denken, dass es um einen neuen Job geht, der so mies ist, dass sie es nicht am Telefon sagen wollen, weil sie wissen, dass ich ablehne, und dann platzt ihnen der Kragen, und dann kündigen sie mir. Ist natürlich nur eine Hypothese.
Als der AB endlich durch ist, überfliege ich meine Kontoauszüge. Ewig kann ich Arnes Mietrückstände nicht mehr ausgleichen, und wegen der Nachzahlung müssen wir dringend ein paar Banken überfallen, aber da kümmere ich mich morgen drum. Jetzt muss ich erst mal zu meinem Mädchen in die Wanne – bevor die Wirkung von kühlem Champagner und heißem Wasser nachlässt.
Als ich ins Badezimmer komme, liegt sie mit geschlossenen Augen in dem dampfenden Schaumbad. Ihre nassen Locken haften an ihrem Gesicht, ihre Brustwarzen lugen aus dem Schaum, die Zehen schauen am Wannenende hervor.
»Ich habe wirklich das schönste Mädchen erwischt.« Sie öffnet die Augen und lächelt.
»Dann küss es doch.«
Ich beuge mich vor, küsse ihr ein paar Schweißperlen von ihrer Oberlippe. Sie schnurrt. Ein kleiner Funke sprüht. Doch während ich mich ausziehe, ist es wie immer: Das Gefühl der Erregung verwandelt sich in ein Wohlgefühl. Als ich schließlich nackt bin, gleite ich zu meiner Freundin in die Wanne. Eben noch erregt, jetzt zufrieden. Zu Frieden. Keine Eroberungslust. Es ist, als würde ihre Nähe jeden sexuellen Funken so intensiv löschen, wie sie früher Flammen entfacht hat.
»Und?«, fragt sie.
Ich starre sie einen Augenblick lang an.
»Die haben nicht gesagt, worum es geht.«
Sie lächelt ermutigend.
»Wird schon was Gutes sein, sonst würden sie nicht mehrmals anrufen.«
»Klar.«
Diesmal ignoriert sie meinen Unterton und lächelt weiter. »Mein Mann hat Erfolg. Das gefällt mir.«
Ich nicke. Mein Mädchen hat zu viel Erfolg. Das gefällt mir gar nicht. Doch wie immer sage ich nichts und stoße stattdessen mein Glas gegen ihres. Wir trinken auf meinen Erfolg. Sie stellt ihr Glas ab, legt mir ihre warme Hand auf den Schenkel und schließt die Augen. Ich betrachte sie. Ihr gebräuntes Gesicht mit den blassen Lachfältchen um die Augen. Ihre süßen Brüste. Ich schließe die Augen und versuche mich zu konzentrieren. Das Wasser ist heiß. Wir liegen Körper an Körper. Wenn ich meine Hand ausstrecke, könnte ich ihre Muschi berühren. Ihre süße wunderschöne Muschi, die mich so oft verwöhnt hat. Die ich so oft verwöhnt habe. Ich denke an ihre Hingabe. Ich denke daran, wie sie klingt, wenn sie kommt. Ihre Ungläubigkeitwährenddessen. Ihre Seligkeit danach. Ihr Lächeln, wenn ich so weit war. Ich denke an all das schöne, geile, versaute und ... nichts. Vom Hals abwärts tut sich nichts. Sexuelle Querschnittslähmung.
Ich öffne die Augen und mustere sie. Denkt sie gerade dasselbe? Liegt sie da und versucht gegen dieses lähmend schöne Wellnessgefühl anzukämpfen?
Sie öffnet ihre Augen und atmet kräftig durch.
»Puh. Ich muss raus.«
Sie lehnt sich vor, gibt mir einen Kuss und gleitet aus der Wanne. Ich schaue ihr zu, wie sie sich in ein Handtuch wickelt und dann beginnt, vor dem Spiegel das zu machen, was Frauen vor Spiegeln so machen. Sie ist schön. Begehrenswert. Attraktiv. Sinnlich. Und morgen steigt sie wieder in einen Zug, ohne dass wir miteinander geschlafen haben. Herrje, zwei Jahre ohne Sex. Vierundzwanzig Monate. Mehr als siebenhundertfünfzig Tage. Und Nächte. Und nicht nur das.
Sie legt ihren Kopf schief und schüttelt ihn, um Wasser aus den Ohren zu bekommen.
»Hast du Q-Tips?«
»Friss Gras«, rutscht mir raus.
Wir schauen uns verblüfft an, dann müssen wir beide lachen, obwohl mein Tonfall zu harsch war, um witzig zu sein. Ich deute auf den
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