Beziehungswaise Roman
schaut mich an. »Wirklich. Wenn schon nicht ins Krankenhaus zur Behandlung, dann immer bei den Liebenden. Ihr macht das gut.«
»Danke«, sage ich und versuche meine Kiefermuskeln zu entspannen, bevor mir ein Zahn abbricht.
»Vielleicht erholt er sich ja doch«, sagt Sune mehr zu sich selbst.
»Man weiß nie«, sagt Ole, aber er schaut keinen dabei an. »Wir müssen jetzt Tag für Tag sehen.« Er schaut auf seine Armbanduhr. »Entschuldigt, ich muss wieder zurück, ich bin eigentlich bei einem anderen Patienten. Helle ist unterwegs zu euch, aber ich kann nicht so lange warten. Kommt ihr klar?«
Wir nicken und bringen ihn raus zur Wohnungstür.
»Ist er wach? Ich meine, was kriegt er mit? Können wir mit ihm reden?«
Er nickt und öffnet die Wohnungstür.
»Auch da gibt es keine Patentantwort. Am besten verhaltet ihr euch wie immer. Seid einfach ihr selbst.«
Sune umarmt ihn spontan.
»Danke«, sagt sie.
Er lächelt und winkt ab.
»Nicht doch. Bis später.«
Die Tür schließt sich. Die Schlafzimmertür auch. Wir stehen da. Ausgeschlossen. Ich lege meinen Arm um Sunes Schultern.
Irgendwann öffnet sich die Tür. Ebba kommt heraus und geht direkt ins Badezimmer, ohne uns anzuschauen. Sune geht ins Schlafzimmer. Als sie wieder rauskommt, hat sie gerötete Augen. Sie stellt den Fernseher im Wohnzimmer an und setzt sich davor. Ich gehe ins Schlafzimmer. Far liegt in derselben Haltung wie zuvor. Ich atme durch, setze mich ans Bett und nehme seine Hand. Warm.
»Far?«
Er reagiert nicht. Ich beuge mich vor.
»Es ist alles gut. Du hattest einen leichten Schlaganfall, aber du bist zu Hause und du bleibst zu Hause. Wir sind alle da. Wir lieben dich und passen auf dich auf. Du bist sicher. Alles ist gut.«
Er gibt einen Ton von sich. Ich schaue ihn an. Seine Lippen haben sich nicht bewegt. Er stöhnt noch mal.
»Sag es noch mal, bitte, ich konnte es nicht verstehen ...« Er gibt wieder einen Ton von sich. Ich senke meinen Kopf und lege mein Ohr an seine Lippen. Fast erwarte ich, dass er gleich einen dummen Spruch über meine Schwerhörigkeit oder sonst was macht.
»Noch mal, sag es noch mal«, dränge ich ihn.
Er keucht, sein rechter Arm zuckt.
»... mein hohn.«
Ich nicke.
»Ja, ich bin dein Sohn. Hast du Schmerzen, mein geliebter Far? Brauchst du noch eine Spritze, dann blinzel zweimal mit den Augen.«
Ich drehe meinen Kopf und mustere sein Gesicht. Ich suche es nach dem kleinsten Zeichen ab, starre, bis meine Augen brennen, doch ... nichts. Dann zuckt sein rechtes Auge. Einmal, zweimal, dreimal ... es hört gar nicht mehr auf. Ich schaue zur Maschine. Dann zur Tür, um Ebba zu rufen. Sie kommt schon herein.
»Er hat Schmerzen.«
»Ich mache das schon«, sagt sie.
Sie setzt ihre Lesebrille auf, lehnt sich vor, betrachtet die Maschine gründlich, bevor sie dann ein paar Tasten drückt. Die eingespannte Spritze bewegt sich, etwas Flüssigkeit wird herausgedrückt und fließt durch den Schlauch in Fars Arm. Fast augenblicklich wird sein Augenlid still. Sein Mund öffnet sich rechts ein Stück. Sein Atem geht furchtbar zäh, als würde jeder Atemzug Mühe bereiten. Ebba wirft mir einen Blick zu. Ich gehe raus.
Sune sitzt wie eine Wachsfigur vor dem Fernseher und starrt blind auf die Mattscheibe. Ich stehe eine Zeit lang im Türrahmen und schaue ihr zu. Der Lichtschimmer des Bildschirms flackert über ihr Gesicht, in dem sich nichts widerspiegelt. Ich gehe in die Küche und lehne mich an den Herd. Aus dem Schlafzimmer ist kein Ton zu hören. Aus dem Wohnzimmer flackert es leblos. Ich öffne den Kühlschrank und nehme mir ein Bier. Nach dem zweiten ist der Kühlschrank ohne Alkohol. Nicht mal saufen geht. Rausgehen geht auch nicht. Ich gehe hier nicht mehr weg. Stattdessen hole ich eine Decke aus dem Flurschrank, gehe ins Wohnzimmer und nehme Sune die Fernbedienung weg.
Ich mache den Fernseher aus. Sie protestiert nicht mal, als ich sie aus dem Sessel ziehe und sie auf das Sofa drücke. Als ich mich an sie kuschele, beginnt sie zu zittern. Ich ziehe uns die Decke über den Kopf.
Dunkles Nichts. Warmer Körper neben mir. Zu heiß. Zu unruhig. Schlechtes Gefühl. Ich öffne die Augen. Immer noch dunkel. Bis auf einen schwachen Lichtschimmer. Ich rolle mich aus der Decke, richte mich auf und folge dem Licht, das aus dem Schlafzimmer dringt. Ebba sitzt im Nachthemd an Fars Bett und wiegt sich vor und zurück, während sie Fars Hand streichelt.
»Mein Freund ... mein guter lieber Freund ...«,
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