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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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flüstert sie. Ich trete näher, küsse ihre Wange und stelle mich neben sie. Dann beuge ich mich vor und küsse seine. Sein Zustand ist unverändert. Helle kam gestern Abend noch, und nachdem sie sich um Far gekümmert hatte, holte sie uns zusammen an einen Tisch und erklärte uns vorsichtig, aber bestimmt, dass jetzt alles anders wäre. Und darum hängt ein Beutel an einem Infusionsständer, aus dem ein gerinnungshemmendes Medikament langsam in seine Adern hinabläuft. An der Bettseite hängt ein Beutel, aus dem ein Schlauch unter die Bettdecke verschwindet. Far wird erst mal nicht mehr aufstehen können, und bis dahin hat Helle ihm aus hygienischen Gründen einen Blasenkatheter angelegt. Und Windeln. Sie machte uns keinerlei Hoffnung, dass er so schnell, wenn überhaupt je wieder, ohne auskommen werde. Aber ich hatte auch vorher keine Hoffnungen mehr. Als ich ihn gestern Abend blinzeln sah, erstarb endlich jede Hoffnung in mir. Einfach so. Von einem Moment auf den anderen wusste ich, das war es. Vielleicht muss es das nicht gewesen sein, es gibt noch immer die Option Wunder. Und die Option Krankenhaus. Aber das ist noch unrealistischer, denn da vor mir liegt mein Vater, der uns zumersten Mal in seinem Leben um einen Gefallen gebeten hat. Der Mann, der mich mal zwei Tage ununterbrochen in den Armen hielt, als ich krank war. Ein Mann, der seine ganze Liebe, Lebenserfahrung und Menschenkenntnis mit mir geteilt und mir mitgeteilt hat. Da liegt er. Mit Schmerzen. In Windeln. Ohne Perspektive.
    Sune kommt auf nackten Füßen hereingetapst. Sie bringt sich einen Stuhl und eine Decke mit. Sie setzt sich zwischen uns, hüllt sich in die Decke und mustert Far. Dann steht sie wieder auf, beugt sich über Far und küsst ihn. Sie setzt sich wieder.
    »Wisst ihr noch – die Geschichte mit den Kinokarten?« Meine Stimme ist brüchig. Ich räuspere mich. Sonst bleibt es still.
    »Die einfachste Freude der Welt«, sagt Ebba schließlich. Wieder bleibt es eine Zeit lang ruhig.
    »Am schönsten waren die Zettel«, sagt Sune dann. »Ich hab es nachgemacht.«
    Und schon reden wir über Fars Gewohnheit, in Restaurants kleine Zettel neben dem Trinkgeld zurückzulassen. Und schon erinnert Ebba uns daran, wie einmal eine Serviererin aus dem Lokal gelaufen kam und winkend hinter unserem Wagen herlief, um sich bei Far zu bedanken. Das war der einzige Zettel, den wir je zu Gesicht bekamen. Vielen Dank. Es war eine Freude, dir beim Arbeiten zuzuschauen. Ein schönes Leben wünscht dir... meine ganze Familie. Und schon stellen wir Vermutungen an, was er auf die anderen Zettel schrieb. Und schon müssen wir schmunzeln. Und schon weicht die Finsternis etwas. Und schon kann man tiefer atmen. Und schon lässt es sich wieder lächeln. Und schon sind die Geschichten vorbei. Und schon kommt die Finsternis wieder und drängt sich Stück für Stück in den Raum. So sitzen wir, bis der Morgen graut. Niemand spricht. Das Unausgesprochene fühlbar.

 
Kapitel 37
    Als Ole und Helle morgens hereinkommen, hat Far immer noch nicht das Bewusstsein erlangt oder irgendein Lebenszeichen von sich gegeben. Wir sitzen um das Bett herum und frühstücken. Ole und Helle mustern uns mitfühlend. »Lange Nacht, was?«, sagt Ole.
    Sune nickt, obwohl es keine Frage war. Helle beugt sich über das Bett.
    »War er bei Bewusstsein?«
    Ich schüttele den Kopf. Dann gehen wir raus. Ebba geht ins Bad. Sune und ich decken den Tisch im Esszimmer, dabei spüre ich einen Widerwillen, den ich erst nicht lokalisieren kann. Ich lege mich auf den Teppich und strecke mich. Mein Rücken knackt seine Guten-Morgen-Melodie, und währenddessen finde ich heraus, was nicht passt. Ein Zimmer weiter waschen fremde Menschen meinen Vater. Ich will das nicht. Ich will das alles nicht.
    Als Ole und Helle Far versorgt haben, bleiben sie noch etwas, um die Lage bei uns zu sondieren, doch sie spüren die Stimmung und verabschieden sich bald. Ich folge ihnen aus der Wohnungstür hinaus in den Hausflur.
    »Ole. Warte mal bitte einen Augenblick.«
    Ich ziehe die Wohnungstür hinter mir zu. Ole bleibt stehen und schaut mich fragend an. Helle merkt es erst auf dem nächsten Treppenabsatz. Sie bleibt ebenfalls stehen, schaut nach oben, sieht uns, senkt den Kopf, holt ihr Handy aus der Tasche und beginnt darauf herumzudrücken.Ich merke, dass sich meine rechte Hand um meine linke klammert und lasse sie wieder los.
    »Wie geht es hier weiter?«
    »Wie meinst du das?«
    Ich atme ein und nehme Anlauf.
    »Er

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