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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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hatte Schmerzen, als er bei Bewusstsein war. Wo sind die jetzt? Kannst du völlig ausschließen, dass er noch welche hat?«
    Er nickt wage, sagt dann aber das Gegenteil: »Hundertprozentig ausschließen kann man es nie, aber es ist unwahrscheinlich, dass er leidet. Wir haben die Bedarfsdosis stark erhöht.«
    »Aber was glaubst du? Hört er uns? Wie viel spürt er?«
    Er schaut mich einen Augenblick ausdruckslos an. Dann atmet er lang gezogen aus und mustert mich ruhig.
    »Ich glaube, er schläft. Was merkst du, wenn du schläfst?« Ich nicke, denke kurz drüber nach.
    »Und, wie stehen deiner Meinung nach die Chancen, dass er wieder wach wird? Ich meine, richtig?«
    Er legt mir die Hand auf den Arm.
    »Lasse, so etwas kann keiner vorhersagen. Wir haben getan, was wir konnten. Jetzt müssen wir abwarten.«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Ich kann nicht abwarten, wenn mein Vater daliegt und vielleicht leidet. Ich frage dich noch mal, Ole: Kannst du ausschließen, dass er Schmerzen hat und nicht daliegt und schreit und wir hören es nicht?«
    Er nimmt seine Hand von meinem Arm, zupft sich am linken Ohrläppchen und richtet seine braunen Augen auf die Wand neben mir.
    »Lasse. ich werde dich nicht anlügen und dir versprechen, dass er nichts merkt. Niemand kann irgendetwas ganz ausschließen.«
    »Wie stehen die Chancen, dass er wieder sprechen wird?«
    Er seufzt und zieht seine Schultern etwas hoch. »Statistisch stehen die Chancen bei einem unbehandelten Schlaganfall nie besonders gut, aber es haben sich schon andere von Härterem erholt.«
    Ich hebe meinen Blick und starre ihn an.
    »Ach komm schon, Ole, so feige kenne ich dich gar nicht.« Er löst seinen Blick von der Wand und schaut mich an. Für einen Augenblick funkeln seine Augen. Dann holt sein Verstand ihn wieder ein. Berufserfahrung.
    »Das, was du wissen willst, kann dir niemand mit Sicherheit sagen. Niemand.«
    Ich muss meiner rechten Hand schon wieder befehlen, mein linkes Handgelenk loszulassen. Ich stopfe beide Hände in die Hosentasche und lehne mich gegen den Türrahmen. Ole wirft einen Blick die Treppe hinunter.
    »Er liegt also da. Kann nicht sprechen. Hat vielleicht Schmerzen. Und du weißt nicht, ob sich daran irgendwas ändert.«
    Er schüttelt resolut den Kopf.
    »Und wenn man ihm noch mehr Schmerzmittel gibt – nur um sicherzugehen?«
    Wieder schüttelt er den Kopf.
    »Er ist bereits sehr hoch dosiert. Durch die terminale Sedierung kann man ihn nicht tiefer schlafen lassen, dann erlangt er nie wieder das Bewusstsein.«
    Das Bewusstsein. Nie wieder. Nicht wieder bewusst sein. Nie wieder.
    Er mustert mich, sein Blick wird weicher.
    »Lasse, ich glaube, ich verstehe ganz gut, wie es dir geht. Meine Mutter ist zu Hause gestorben. Doch deine Frage kann ich dir nicht beantworten.«
    Seine Stimme ist ein bisschen lauter geworden. Unten hebt Helle ihren Kopf. Ole macht den Ansatz zu einer Bewegung.
    »Ole, warte, bitte.«
    Ich lege meine Handfläche an die Wand und versperre ihm den Weg zur Treppe. Er mustert mich starr, bleibt aber stehen und wartet. Ich werfe einen Blick zur Treppe.
    »Was passiert, wenn sein Zustand sich verschlechtert? Was, wenn er noch einen Schlaganfall bekommt?«
    Er wirft einen Blick runter zu Helle, die wieder versunken ihr Handydisplay mustert.
    »Nun, wenn der Zustand deines Vaters sich verschlechtern sollte, können wir nicht viel tun. Vielleicht noch ein wenig mehr geben, aber viel mehr verkraftet er nicht.«
    »Was passiert, wenn er an dem Schlaganfall stirbt? Oder einfach so stirbt.«
    Seine braunen Augen werden ausdruckslos.
    »Wenn dein Vater ohne äußere Einwirkungen sterben sollte ...«, beginnt er leise und macht eine kleine Pause, um mich regungslos anzuschauen, »... wird der Notarzt höchstwahrscheinlich den natürlichen Tod eines zweiundachtzigjährigen Patienten nach einem Schlaganfall feststellen.«
    Ich schaue in seine dunklen Augen und versuche eine Emotion zu erkennen, doch ich finde nichts.
    »Ich habe noch andere Patienten«, brummt er.
    Ich ziehe meine Hand zurück und gebe den Weg frei. Er bleibt noch einen Augenblick stehen. Dann geht er die Treppenstufen hinunter.
    »Da kann ich dir leider nicht helfen«, sagt er laut.
    Helle wirft einen schnellen Blick zu mir hoch, dann senkt sie ihren Kopf und folgt Ole die Treppe runter.
     
    Die Luft im Schlafzimmer ist klar und frisch. Die Standlampe verbreitet warmes Licht. Drüben im Wohnzimmer läuft Fars geliebter Louis Armstrong so leise, dass ich das Lied

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