Beziehungswaise Roman
mich da sein? Sitzt an meinem Bett eine Frau? Tess? Sune? Eine andere? Niemand? Kinder? Werde ich ihnen dasselbe warme Gefühl mitgeben können wie er mir? Im selben Moment erwischt es mich. Ein unbeschreibliches Gefühl flutet mich und drückt mir Tränen die Augen. Es fühlt sich an, als würde mein Herz platzen, aber es ist nichts, nichts als reine Liebe. Das Leben ist so groß ... so verdammt groß ... und hier sitzen wir kleine Menschen ... und weinen ... und lachen ... und lieben ... und leben ... und sterben ...
»When you’re smiling ...«
Sune dreht ihren Kopf und schaut mich verwirrt an.
»When you’re smiling ... the whole world smiles with you ...«
Ebba legt ihre Hand auf meine, und ihre zarte Stimme setzt eine Oktave höher ein.
»When you’re laughin’ ... when you’re laughin’ ...« Ich strecke Sune meine linke Hand entgegen.
»The sun comes shinin’ through ...«
Sie nimmt meine Hand und murmelt den Text mit. »And when you’re crying ... you bring on the rain ...« Wir halten uns an den Händen und singen Fars Hymne. »... so stop your sighin’ ... and be happy again ...«
Tränen tropfen auf sein Bettlaken, mein Herz birst vor Liebe und Dankbarkeit.
»When you’re smiling ... keep on smiling ... and the whole world smiles with you.«
Wir verstummen und starren seinen Brustkorb an. Ebba beugt sich etwas nach vorne. Warten. Atemlose Zeit vergeht, bis Ebba sich wieder aufrichtet. Sune weint still. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und schaue an die Zimmerdecke. Nichts. Es ist vorbei. Ein Leben. Vorbei.
Kapitel 38
Kein Licht. Weicher Untergrund. Warmer Körper. Schön, wieder in meinem eigenen Bett aufzuwachen. Noch ein paar Nächte auf dem Esszimmerteppich, und ich hätte einen Chiropraktiker gebraucht. Ich erwische den Wecker, bevor er ein zweites Mal klingeln kann. Die Uhr zeigt halb sechs. Neben mir hebt und senkt sich Tess’ Körper mit jedem Atemzug. Ich streichele ihren warmen Rücken und denke an Far. Wenn ich mich bloß schnell an den Gedanken gewöhnen könnte, dass er nicht mehr da ist. Dass er nie wieder einen Witz machen wird. Die Vorstellung, mein restliches Leben ohne ihn zu verbringen, ist einfach nur bizarr.
Wir saßen noch lange an seinem Bett. Die Notärztin kam und stellte seinen Tod fest. Sie drückte ihm einen kleinen Sender in die Hand, damit er Alarm geben könnte, falls es die Auferstehung, Teil II, geben sollte, und ging wieder. Wir blieben. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, doch wir wussten nicht, wie weit er sich schon entfernt hatte, und wollten ihn nicht alleine lassen. Ebba setzte sich ans Telefon und informierte Familie und Freunde. Sune und ich schauten Far beim Stillliegen zu. Warteten auf ein Zeichen. Fühlten, wie er kalt wurde. Je länger ich neben dem Bett saß und seinem Körper beim Weißwerden zusah, desto mehr war mir danach, ihm den Sender aus der Hand zu nehmen und ein paarmal draufzudrücken. Er hätte es zu würdigen gewusst. Stunden später kam die Notärztinwieder und stellte überraschend fest, dass er immer noch tot war. Sie nahm ihm den Sender ab, winkte zwei kräftige Männer herein, die eine Leichenkiste hereintrugen, und bat uns dann, draußen zu warten. Die Schlafzimmertür schloss sich, und wir standen mal wieder vor dieser Scheißtür, auf Geräusche lauschend. Als sie sich wieder öffnete, war das Bett leer und Far weg. Die Männer trugen die Kiste schnaufend aus der Wohnung. Als sie gegen das Treppengeländer stießen, musste ich Sune davon abhalten, über sie herzufallen. Sie verschwanden unbeschadet die Treppe herunter. Wir gingen zum Fenster und schauten zu, wie sie die Kiste in den Leichenwagen schoben, die Heckklappe schlossen und wegfuhren.
Von dem Moment an redeten wir wenig und taten viel. Das Krankenbett wurde demontiert und kam weg. Ebbas Bett wurde ans Fenster gerückt. Ohne das Ehebett wirkte das Schlafzimmer viel größer und leerer – wie mir die ganze Wohnung ohne Far plötzlich riesig groß vorkam. So viel Platz, wofür? Alles in der Wohnung ist auf zwei Menschen ausgelegt, und jetzt wird Ebba hier allein wohnen. Nichts macht mich fertiger als die Vorstellung, wie leise ihr Tag jetzt sein wird. Dass Tess und ich es nicht geschafft haben, ist traurig, aber es besteht die Möglichkeit, dass ich irgendwann mit einer anderen Frau glücklich sein werde. Dass Far tot ist, ist traurig, ich vermisse ihn ununterbrochen, und es ist einfach unwirklich, dass er plötzlich weg ist, doch er hatte ein
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