Beziehungswaise Roman
Sexobjekt! Sie legte mich glatt rein, entlockte mir eine Entschuldigung und gab dann zu, dass ihr der Betrag lediglich zu niedrig war. Ich legte einen Schein nach, sie schob einen Dank hinterher. Gute Zeiten. Unbeschwerte Zeiten. Zeiten ohne Hintergedanken.
Es bürgerte sich ein, dass wir nach dem Sex, mit bedeutsamen Blicken oder Rumgealbere, einen Schein versenkten. Manchmal begannen wir bereits auf Partys ein Gespräch über die steigenden Ausgaben im Haushalt. Die Umstehenden rückten von dem todöden Pärchengespräch ab, doch wir hatten unseren Spaß, feilschten um die Endsumme, setzten Zahlungsmodalitäten fest und mussten dann irgendwann schnell aufbrechen, um den Haushalt zu konsolidieren. Heute noch muss ich manchmal bei dem Wort sparen an Sex denken, und einmal bei einer Kontoeröffnung ... na ja, egal, jedenfalls, da steht es im Regal, das Sexschwein, seit zwei Jahren ungefüttert. Aber ich konnte es nicht wegräumen, weil sie das erst recht daran erinnert hätte, was sonst noch fehlt. Aber jetzt könnte ich ja. Ja. Ich lasse es stehen und laufe weg.
Im Grüngürtel laufe ich mir die Lunge aus dem Hals. Nach vier Wochen Junkfood und Meilenfressen im Mietwagen geht das schneller als befürchtet. Ich komme langsam in ein Alter, in dem sich Kondition über Nacht halbieren kann.
Aber die Gedanken treiben an. Endlich! Ihr habt miteinander geredet! Ihr habt es ausgesprochen! Es war die richtige Entscheidung! Du weißt es! Du brauchstjetzt nicht mehr zu warten! Das Leben geht weiter! Alles wird gut! Prima. Und wieso fühle ich mich scheiße? Ich sollte doch erleichtert sein, dass wir es endlich ausgesprochen haben, aber ich bin ... wütend? ... enttäuscht? Nein. Ich ... keine Ahnung, was ich bin. Nicht zufrieden. Nicht unzufrieden. Ein seltsames Gefühl liegt über allem wie eine Asbestdecke über Feuer. Ich atme durch die Nase und versuche diesen Zustand zu erreichen, wo man abschaltet, aber dank Karneval ist der Weg von kaputten Flaschen und Jecken übervölkert. Die Scherbenhaufen bewegen sich wenigstens nicht. Ich überquere die Straße, ziehe am See das Tempo an, laufe den Hügel hoch und konzentriere mich auf meine Atmung, doch jedes Mal, wenn ich ein bisschen in den Groove komme, muss ich an Jecken vorbei, die mit Sport ist Mord! und Als was gehste denn? glänzen. Ich versuche sie zu ignorieren, bis ein Polizist sich mir in den Weg stellt und die Kelle schwenkt.
»Fahrzeugkontrolle! Papiere und Zulassung!«
Seine Begleiter lachen meckernd und äußern Vermutungen, wo ich wohl meine Papiere aufbewahre. Daran, wie schwer es mir fällt, ihm keine zu langen, merke ich, dass ich noch nicht weit genug gelaufen bin. Stattdessen schlage ich einen Bogen und fange mir ein lautes Rülpsen ein, was wildes Gruppengelächter auslöst. Zu schade, dass man keine Unterlassungsklage gegen Niveaulosigkeit erwirken kann.
Ich laufe. Immer weiter. Den Hügel runter, über die nächste Straße, durch den Grüngürtel, wieder über die Straße, China, Grüngürtel, Straße, China ...
Laufen ist wie einschlafen: Im besten Fall merkt man es nicht. Als ich aufwache, befinde ich mich bereits auf demRückweg. Und wovon werde ich wach? Ich höre von Weitem, wie meine Lieblingsjecken bei einer Joggerin die gute alte Fahrzeugkontrollnummer durchziehen. Die Joggerin spurtet um sie herum und wird mit fettem Gelächter auf ihrem weiteren Lebensweg angefeuert. Wenn Gandhi das sehen könnte, würde er sich dann noch mal für die Menschheit umbringen lassen? Hm. Vielleicht würde er diesmal darum betteln.
Sie entdecken mich.
»Der schon wieder!«
»Vielleicht hat er die Papiere geholt!«
Alles lacht. Mein Polizistenfreund breitet wieder die Arme aus. Ich laufe einen Bogen und ernte dabei Kommentare über mein Kostüm, mein Aussehen, meinen Laufstil und Sportler im Allgemeinen.
Zwanzig Meter weiter bleibe ich stehen und drehe mich zu ihnen um.
»Seid ihr schon im Koma, oder was?«
Sie verstummen und schauen mich überrascht an. Einer dreht den Kopf zu seinem Kumpel und fragt, was ich gesagt habe.
»Ja, ich meine euch, ihr Pappnasen! Seit wann gehört Frauenbelästigen zum Karneval? Habt ihr Penner überhaupt keine Selbstachtung?«
Sie brauchen einen Augenblick. Dann heulen sie auf und kommen auf mich zugelaufen. Ich lasse sie etwas herankommen, trabe los, warte bis sie näher kommen, ziehe einen kurzen Sprint an, falle wieder etwas zurück, lasse sie herankommen und ziehe den nächsten Sprint an. Nach fünfzig Metern
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