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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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ruhig am anderen Ende der Leitung. Dann lacht er wieder kurz.
    »Hat doch keiner gesagt, oder? Hab ich das gesagt? Nein. Aber es ist schon nicht unwichtig, der Welt immer wieder zu zeigen, dass man im Saft steht.«
    »Sonst?«
    Es bleibt kurz still, dann seufzt er, als würde es ihm das Herz brechen.
    »Lasse, du weißt doch, wie es ist. Jeder hat mal eine schlechte Phase, aber deine dauert wirklich lange, andere Agenturen hätten dich längst fallen lassen, aber wir, wir glauben an dich. Darum geben wir dir die Chance, uns heute bei dem Casting zu vertreten, bei dem viele andere gerne dabei wären.«
    »Und wenn ich nicht gewinne?«
    Wieder ein kurzes Zögern.
    »Dann sollten wir uns zusammensetzen und uns überlegen, was das Beste für dich wäre.«
    So nennt man heutzutage also einen Arschtritt.
    »Was ist denn aus ›In meiner Agentur geht man keine Geschäftsbeziehungen, sondern lebenslange Freundschaften ein‹ geworden?«
    »Habe ich das gesagt?«, fragt er und klingt wirklich überrascht.
    Ich nicke dem Hörer zu.
    »An dem Tag, als ich bei dir unterschreiben sollte. Dem Tag, als RTL mir eine Hauptrolle in der Polizei-Sitcom anbot.« »Aus der du mitten im Dreh ausgestiegen bist«, berichtigt er mich.
    »Weil mein Arbeitskollege ein pädophiles Arschloch war«, erinnere ich ihn.
    Darauf bleibt es still, und er hat recht. Streite ich mich hier tatsächlich gerade mit Clemens über Menschen mit mangelhaftem Charakter?
    »Also, am besten ist, ich gewinne einfach dieses Ding, was?«
    »Genau«, sagt er sofort. »Das wäre das richtige Signal. Also bist du dabei, ja?«
    »Hab ich dich je enttäuscht?«
    Diese Frage bleibt unbeantwortet.
    »Gut«, sagt er nach einem Augenblick. »Es ist heute ohne Publikum, es gibt eine Jury, und du brauchst einen Dreiminüter. Bleib eine Sekunde dran.«
    Schon läuft wieder die Warteschleife. Diesmal mit einer Pointe aus der Fips-Asmussen-Hölle. Ich starre aus dem Fenster. Clemens weiß genauso gut wie ich, dass es sinnlos ist, mich zu einem Casting zu schicken. Ich lag bei allen Sendern bereits mehrmals auf dem Tisch. Und im Giftschrank. Und dann auch noch Stand-Up. Wenn er mich mal auf dem Schiff besucht hätte, wüsste er, dass ich seit Jahren nur noch moderiere und Geschichten erzähle – und zwar für Menschen, die gerne live schlafen. Das passt nicht zwingend ins Fernsehen. Wobei, wenn sie schlafen, können sie nicht wegzappen. Hm!
    Der Horrorwitz wird unterbrochen.
    »So. Geht alles klar, wir hatten zwar schon einen Ersatz, aber den haben wir wieder ausgeladen.«
    Prima. Noch ein Feind.
    »Super.«
    Er stimmt mir zu, dass es super ist, und verbindet mich mit seiner Mitarbeiterin, die mir alle nötigen Informationen geben soll. Ich entschuldige mich für vorhin, sie tut, als wisse sie nicht, wovon ich rede, und gibt mir die Eckdaten durch. Das heutige Casting findet in einem Hotel statt. Honorar gibt es, wenn ich mich qualifizieren sollte. Sie fragt, ob ich einen Fahrdienst brauche. Ich sage Nein und wünsche ihr einen schönen Tag. Sie mir nicht und legt auf. Ich lehne mich zurück und werfe wieder einen Blick in den Garten. Hm. Wahrscheinlich treffe ich irgendwann eine neue Frau, die mich liebt und mit mir eine Beziehung haben will. Genau. Also besteht auch die Möglichkeit, dass ich irgendwann eine neue Agentur finde, die mich toll findet und mit mir arbeiten will. Genau. Also ist eigentlich alles gut. Genau.
    Ich schaue noch einen Moment in den Garten, bis ich den Impuls wegrationalisiert habe, mich mit zwanzig Filmen zu Frauke auf die Couch zu legen. Ich muss einfach durchziehen und das Beste daraus machen. Auch wenn es heute Abend ein Reinfall werden sollte, sehe ich zumindest ein paar Kollegen wieder und kann vielleicht einen Job auf dem Festland abstauben.
    Das Mailprogramm meldet sich. Es hat mehrere Minuten gebraucht, um alles zu saugen. Einen Monat weg, tausendfünfhundert Mails. Spam, Spam, Spam, Partyeinladung, Spam, Spam, Spam, Gruß von Halbbekannten, Spam, Spam, und dann noch mal Spam, Spam, Spam. Es bleiben glatt einundvierzig übrig. Ein paar von der Agentur. Ein paar Onlinerechnungen. Drei sind von mir selbst. Die habe ich mir geschickt, als ich unterwegs gute Ideen für Nummern hatte, die ich nicht vergessen wollte. Zwei der Ideen sind so blöde, dass ich an meinem Verstand zweifele. Die andere speichere ich im Ideen-Ordner.
    Die einzig schöne Mail ist von Tess. Sie ist eine Woche alt.
    Sie muss sie mir aus San Francisco geschickt haben. Als wir uns

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