Beziehungswaise Roman
wirklich.«
Ich lächele.
»Ich weiß, und das ist schön, ich liebe dich auch. Sieh zu, dass du das Wochenende freibekommst, dann verstecken wir Fraukes Drogen und schauen zu, wie sie auf Turkey kommt.«
»Au ja«, sagt sie und ich höre ihrer Stimme an, dass sie lächelt. »Ich denk an dich. Bis morgen, Liebster.«
Sie unterbricht. Ich lege den Hörer auf, sitze still und atme. Wie viele solcher Telefongespräche haben wir in den letzten Jahren geführt. Sie ist da draußen und versucht sich zu behaupten. Sie braucht jemanden, der ihr Kraft gibt und Mut macht, wenn sie schwach ist. Das kann ich. Und das ist schön. Es befriedigt mich, dass sie mich braucht. Ja. Und dennoch. Was würde ich darum geben, wenn sie sich mal um mich kümmern würde. Im selben Moment, als ich es denke, weiß ich, dass es unfair ist. In unseren ersten Jahren hat sie sich nur um mich gekümmert. Sie war mit auf Tour, hat Zeit und Energie in mein Leben investiert. Bis sie ihr eigenes fand. Wir haben abwechselnd das Leben des anderen mitgelebt, aber nie unser gemeinsames aufgebaut – das könnte ich jetzt tun. Soll ich mit ihr nach China gehen und für die Menschenrechte kämpfen? Ich könnte mich auf dem Platz des himmlischen Friedens von einem Panzer überrollen lassen. Das gibt Weltpresse, und mit genug Schlagzeilen finde ich vielleicht eine neue Agentur. Hallooo!! Der Auftritt! Du hast nochfünf... viereinhalb Stunden, um zu verhindern, dass es eine absolute Blamage wird! Und mal ehrlich,pleite, Single und arbeitslos ist vielleicht ein bisschen viel aufeinmal, oder?
Ich zwinge meine Hand, die Textmappe aufzuschlagen, und blättere halbherzig durch die Texte. China, verdammt noch mal!
Die Textmappe segelt durch den Raum und klatscht andie Wand. Sie öffnet sich nicht einmal, als sie zu Boden fällt. Gute Aktion. Geht es mir jetzt besser? Aber kein verdammtes Scheißbisschen. Hallooo!! Viereinhalb Stunden minus zehn Sekunden!
Ich hole die Textmappe, lege mich auf die Couch und blättere durch das Ergebnis meines Schaffens der letzten Jahre. Die Nummern sind alt. Ich sollte längst ein neues Programm geschrieben haben. Aber auch auf diesem Gebiet ist in der vergangenen Zeit nichts passiert. Ich brauche einen Dreiminüter. Ohne Publikum braucht der Text nicht so populistisch zu sein. Vor einer Jury kann es eine Spur feiner sein als bei einem Battle, wo Polemik und Lautstärke gefragt sind, also entscheide ich mich schließlich für einen Text über den Unterschied zwischen Liebes- und Actionfilmen, drucke ihn aus und gehe damit in die Halle. Über der Couch hängt ein Cannabisatompilz, aber der Bildschirm ist dunkel und von Frauke nichts zu sehen. Ist mir recht, keine Zuschauer zu haben. Als ich meinen letzten Stand-Up gemacht hab, stand das Gesetz noch über Kohls Ehrenwort.
Ich räume die Galaecke frei, ziehe die Oberlichter zu und richte das Bühnenlicht aus. Dann setze ich mir das Headset auf und beobachte den Mann im Spiegel. Er sollte mal zum Friseur gehen. Er sollte sich mal einen neuen Anzug kaufen. Er sollte mal seinen Text lernen. Er sollte mal aufhören, an seine Ex zu denken.
Kapitel 8
Eine Stunde später bereue ich mal wieder, dass ich damals nicht mit Regisseuren zusammengearbeitet habe, als noch welche wollten. Natürlich habe auch ich mal einen Workshop bei Leo Bassi und einen bei Django Edwards besucht, aber die habe ich mehr genossen, statt zu lernen. Ich gefiel mir zu sehr als Autodidakt. Das hatte den feinen Vorteil, dass meine Stärken nicht durch Handwerk limitiert wurden. Und den groben Nachteil, dass meine Schwächen nicht durch Handwerk limitiert wurden. Und so fällt es mir auch nach zehn Jahren Bühne schwer, eine gute Nummer zu wiederholen, weil ich nie ganz sicher bin, wie ich das gemacht habe. Manche Comedians improvisieren viel, weil sie es sich leisten können. Bei ihnen ist Stimme, Gestik und Text eins geworden. Sie sind so gut, dass sie bei jedem Impuls die richtige Haltung finden und sie auch technisch umsetzen können. Doch auch nach zwei Stunden proben ist es bei mir noch immer so, als würden sich ein Israeli und ein Palästinenser über Politik unterhalten.
Eine weitere Stunde nörgele ich an meinem Spiegelbild herum, dann freunden sich Text und Stimme langsam an. Fehlt nur noch die Performance, doch nachdem ich das ganze letzte Jahr versucht habe, niemanden im Publikum aufzuwecken, kann mein Körper sich einfach nicht an die neue Freiheit gewöhnen. Als ich zum zwanzigsten Mal eine Pointe
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