Beziehungswaise Roman
lächelt müde. Der Jungarzt legt sich wieder ins Zeug und versucht Far zu überzeugen, wie gesundheitsschädlich Rauchen in seinem Alter und Zustand ist. Er ist nicht der Erste, der auf diesen Husten reinfällt. Far hat die Malerkrankheit. Nach vierzig Jahren Lösungsmittel einatmen, hustet er so rasselnd, dass jeder im Umkreis automatischdie Luft anhält. Ein Husten wie eine nasse Zeltplane im Wind – zäh, bellend, furchtbar. Solange ich denken kann, ging er morgens als Erstes ins Bad, wickelte sich ein Handtuch um den Kopf und hustete sich den Nachtschleim ab. Vielleicht gab es deswegen morgens immer Musik bei uns. Jedenfalls legt dieser Husten diese Kettenraucherfährte, auf der sich schon so viele Ärzte verlaufen haben, und das einzig Schöne daran ist, dass Far ein paar Leute veräppeln kann. So sitzt er auf dem Krankenbett und nickt dem Jungarzt aufmunternd zu, damit der sich noch mehr ins Zeug legt. Die beiden anderen Patienten verfolgen das Schauspiel aus ihren Betten. Einer davon sieht gar nicht gut aus. Ich lehne mich an die Wand und warte.
Irgendwann gibt Ebba ein kleines Geräusch von sich. Far unterbricht den Jungarzt treuherzig und gibt zerknirscht zu, dass er nicht weiß, wie er mit dem Rauchen aufhören kann – weil er ja schon vor neununddreißig Jahren damit aufgehört hat. Der Jungarzt schaut ihn an, dann realisiert er, dass er in den letzten Minuten an der Nase gezogen wurde, und bekommt etwas Farbe. Er schaut auf seinen Pieper, murmelte etwas und verlässt den Ort, an dem ein Sterblicher an seinem Nimbus gekratzt hat.
»Vierzig Jahre derselbe Gag – nicht mal ich würde mich das trauen.«
Far wendet mir den Kopf zu.
»An guten Dingen muss man eben festhalten.«
Er schaut Ebba an und wackelt mit den Ohren. Sie lächelt. Ich beuge mich vor und umarme ihn. Er riecht gut. Sogar hier.
»Du siehst müde aus.«
»Versuch mal hier zu schlafen. Irgendjemand hat die ganze Nacht gehustet. Und dann das Essen ... ich musste ständig aufs Klo, fast wie zu Hause.«
Er wirft Ebba einen Blick zu, aber sie reagiert nicht, also reicht er mir seine große Hand. Ich ziehe ihn vorsichtig auf die Beine. Während er sich von den beiden anderen Patienten verabschiedet, umarme ich Ebba und Sune. Dann verlassen wir das kranke Zimmer. Auf dem Flur fasse ich Sunes Arm, lasse Ebba und Far vorausgehen und uns ein bisschen zurückfallen.
»Todkrank, hm. «
Sie schaut mich genervt an.
»Er ist im Keller umgekippt, hörst du?«
»Denke schon. Und wie lautet die Diagnose?«
»Nichts.«
Ich hebe eine Augenbraue.
»Irgendwas müssen die Ärzte doch gesagt haben.« Sie nickt wütend.
»O ja. Dass man die Laborergebnisse abwarten muss. Dass man ohne die Laborergebnisse nichts sagen kann und dass die Laborergebnisse erst in ein paar Tagen vorliegen. Eigentlich müsste er so lange hierbleiben, aber du kennst ihn ja.«
Far wirft einen Blick über die Schulter.
»Ihr könnt ruhig tuscheln, stört mich nicht. Wirklich. Verteilt schon mal das Erbe.«
»Welches Erbe? Die vierzig Jahre alte Gagdatei?«
Er runzelt die Stirn und wendet sich wieder nach vorn. Sune schüttelt den Kopf und mustert seinen Rücken nachdenklich.
»Irgendwas ist mit ihm. Seit Monaten ist er ständig müde. Schon im Sommer stellte er sich manchmal hinter die Bäume und tat, als würde er sie beschneiden, aber er stand nur da und ruhte sich aus.«
»Das hab ich gehört!«, ruft er. »Ich bin einundachtzig! Will dich mal sehen, wenn du so alt bist!«
»Du bist zweiundachtzig, Schatz«, sagt Ebba.
»Jesses!«
Er senkt die Stimme und sagt etwas zu ihr. Sie lächelt und knufft ihm den Arm, während sie langsam auf den Ausgang zugehen. Wir trippeln ihnen mit halben Schritten nach. Sune nickt mehr zu sich selbst.
»Irgendwas ist mit ihm.«
»Klar«, sage ich. »Sag mal, ist man eigentlich auch ein Hypochonder, wenn man immer glaubt, jemand anderes wäre krank?«
Sie gibt mir einen Blick, und vielleicht hat sie recht. Vielleicht zieht er nur eine Show ab, um uns zu beruhigen, aber wenn, macht er das verdammt gut. Ich lege meinen Arm um ihre Schultern und bringe Fars Allzweckwaffe zum Einsatz:
»Kopf hoch ...«
»Denn da scheint die Sonne«, murmelt sie lustlos und wirft einen Blick auf ihre kleine Armbanduhr, deren Zifferblatt so zerkratzt ist, dass man kaum noch die Zeiger erkennen kann. Die Uhr, die ihr erster Freund ihr vor dreißig Jahren geschenkt hat. Sie all die Jahre instand zu halten hat mehr Geld verschlungen, als zehn neue zu
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