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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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eine Spritztour?«
    »Wohin?«
    »Ins Sommerhaus.«
    »Du musst dich schonen!«, ruft Ebba aus der Küche. Er runzelt die Stirn und wirft einen Blick zur Küche.
    »Wie kann man in dem Alter bloß noch so gut hören?« »Ich trage mein Hörgerät, Schatz! Solltest du auch! Aber du hörst ja nicht!«
    Er grummelt irgendwas, dann schaut er wieder zu mir. »Wir waren schon sechs Wochen nicht mehr oben. Jemand müsste nach dem Rechten sehen. Du darfst auch fahren.«
    Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Ich durfte noch nie mit seinem Wagen fahren. Vielleicht stimmt wirklich was nicht mit ihm, aber das Kreuzverhör überlasse ich Sune.
    »O.k., dafür darf ich ein Auslandsgespräch führen.«
    »Ein kurzes«, sagt er und stemmt sich schwer auf die Beine.
    »Ich lege mich ein Stündchen aufs Ohr. Und grüß meine Schwiegerfreundin schön.«
    Er verschwindet ins Schlafzimmer. Ich esse ein paar Lakritze, dann rutsche ich rüber auf den Telefonschemel, nehme den Hörer des Telefons in die Hand, das Far sich in den Siebzigern angeschafft hat, und stecke die Finger in die Wählscheibe. Das Wählen ist wie Hanteltraining. Ob die beiden sich bei Auslandsnummern abwechseln?
    »Krytowski«, meldet sie sich gestresst.
    Als ich ihre Stimme höre, durchfährt mich ein verwirrendes Gefühl vom Scheitel bis in die Zehen. Schuld und Sühne. Liebe und Erleichterung. Freude und Trauer. »Hallo?«
    »Ich bin’s.«
    »Liebster!«, stößt sie überrascht aus, dann tritt eine kleine Pause ein, während wir das sacken lassen. »Ich denke die ganze Zeit an dich.«
    »Und ich an dich.«
    »Ist doch seltsam, oder?«
    »Ja. «
    »Ich meine, das Ganze.«
    »Ja. «
    Rauschen in der Leitung. Ich höre ihren Atem. Hinter ihr bricht irgendwo Hektik aus.
    »Süße, ich bin in Kopenhagen. Far war im Krankenhaus und ...«
    »Was ist mit ihm?«, unterbricht sie alarmiert.
    »Es ist nicht schlimm. Ihm ist schlecht geworden, er ist umgefallen, sie haben ihn untersucht, nichts gefunden, wir sind schon wieder zu Hause.«
    Wieder eine kleine Pause. Dann:
    »Soll ich kommen?«
    »Du hast doch Termine.«
    Ihre Stimme wird leise und akzentuiert.
    »Sprich bitte nicht so mit mir. Wenn es ernst ist, komme ich.«
    Ich zögere. Für einen Augenblick bin ich versucht, sie herfliegen zu lassen, nur um zu genießen, wie sie einen Termin für mich absagt. Ich muss aufpassen, dass ich nicht wieder drei Jahre alt werde.
    »Es ist nicht nötig, er ist wirklich o.k. Er schläft jetzt eine Runde, und morgen ist er wieder der Alte.«
    Es bleibt einen Augenblick ruhig in der Leitung.
    »Gut«, sagt sie dann und ich merke ihr die Erleichterung an. »Ruf mich sofort an, falls sich etwas ändert.«
    »Mache ich«, sage ich.
    »Ich meine es ernst.«
    »Ich weiß. Ich bleibe noch bis morgen und rufe dich an, wenn ich wieder zu Hause bin. Wie sieht es denn aus mit dem Wochenende?«
    »Das weiß ich noch nicht. Hier ist die Hölle los.« Eine Frauenstimme im Hintergrund sagt irgendwas. »Liebster, ich muss auch schon wieder Schluss machen.«
    »Er hat nach dir gefragt. Ich soll dich grüßen.«
    »Oh ... das ist schön ...«
    Ich höre ihrer Stimme an, dass sie lächelt. Diese Wirkung hat Far immer auf sie.
    »Wie ... wie haben sie reagiert?«
    Ich brauche einen Augenblick, bevor ich verstehe, was sie meint. Ich werfe einen Blick in die Runde und senke die Stimme, obwohl keiner von beiden Deutsch versteht.
    »Ich habe es ihnen noch nicht gesagt. Es war nicht der richtige Augenblick.«
    »Läuft ja auch nicht weg«, sagt sie. Wieder höre ich die Frauenstimme, und als Tess erneut spricht, klingt ihre Stimme gehetzt. »Grüß die beiden schön zurück. Sag ihnen, ich vermisse sie sehr, ja? Entschuldige, es geht los, ich muss rein. Wer liebt dich?«
    »Was, immer noch du?«
    »Unheimlich«, sagt sie.
    Wir legen auf. Ich sitze da und denke ein bisschen über unheimlich nach. Dann merke ich, dass sie mich gar nicht gefragt hat, wie das Casting gelaufen ist. Dann merke ich, dass ich ihr gar nicht erzählt habe, dass ich in der nächsten Runde bin. Dann merke ich, dass sie noch nicht mal weiß, dass ein Casting stattgefunden hat. Und dann denke ich darüber nach, was wir in den letzten Jahren noch so alles nicht mitbekommen haben.
     
    Am späten Nachmittag kommt Sune aus dem Kindergarten. Auch an einem Samstag lässt sie es sich nicht nehmen, den Laden als Letzte zu verlassen. Sie köchelt mit Ebba in der Küche, während ich Far helfe, einen kaputten Schrank zu reparieren. Ihm

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