Beziehungswaise Roman
bis sechzig, sie nahmen das Geld an sich und gingen in die Kantine auf Kaffee und Kuchen.
Wie immer geht Far in der Geschichte auf. Er grinst und lacht, zappelt herum und verdreht die Augen über Roland.
Zuerst wirkt das Witzeln in der ernsten Atmosphäre deplatziert und rüde, aber nach und nach setzt er sich gegen die Betroffenheit durch. Schon bald wird der Schatten, der noch eben über dem Tisch hing, durch Gelächter vertrieben. Die Geschichte kenne ich auswendig, aber ich kann mich nicht daran sattsehen, wie er sich über seine eigenen Geschichten schlapp lacht. Er wäre ein besserer Comedian als ich. Es ist eine der seltenen Gelegenheiten, in denen man Sune wie ein Schulmädchen kichern hören kann, und auch Ebbas faltiges Gesicht ist zu einem Grinsen verzogen, obwohl sie die Geschichte öfter gehört haben muss als ich. Sie ist sein bestes Publikum, er liebt es, sie zum Lachen zu bringen – eine perfekte Symbiose. Auch dafür sollte ich mir Familie zulegen: Publikum, das bleibt.
Far schließt die Geschichte mit Shakespeare:
»Wohl dem, der nicht verlor ...«
»... im Kampf des Lebens den Humor«, singen wir. Er schaut mich unschuldig an.
»Ach, Familie ist doch das Schönste im Leben ...«
Ich senke den Blick und stochere auf meinem Teller herum. Aber diesmal ist Sune dran. Far mustert sie betrübt.
»Wie schafft ein intelligentes Mädchen wie du es bloß, so lange ohne Kinder zu bleiben?«
Sune schaut ihn überrascht an und bekommt dann einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Sie wirft Ebba einen Blick zu, die sich scheinbar nicht ganz sicher ist, ob Far vielleicht vergessen hat, wieso sie keine hat. Sune schaut auf den Tisch, schiebt ihre Gabel einen Zentimeter nach rechts, und Ebba öffnet bereits den Mund, um zu protestieren, als er fortfährt.
»Such dir einen Mann, und adoptier ein paar Kinder.« »Lasse hat ja auch keine, und er ist nicht unfruchtbar«, sagt sie.
Ich starre sie an. Sie hält den Blick gesenkt und schiebt dieGabel ein Stück in die andere Richtung. Far dreht den Kopf und mustert mich.
»Das ist allerdings richtig«, sagt er und klopft mit seinem knorrigen Zeigefinger auf den Tisch vor mir. »Was ist bloß los mit dir? Du hast ein tolles Mädchen, Tess liebt dich. Worauf wartest du? Mach ihr endlich einen Antrag.«
Ich schaue Ebba Hilfe suchend an. Sie amüsiert sich scheinbar prächtig. Toll. Für einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, es ihm zu sagen, nur um sein Gesicht zu sehen, doch dann senke ich meinen Blick und schiebe mir einen weiteren Löffel Eis rein.
»Jesses, jetzt mach ihr endlich diesen Antrag! Heirate, mach ihr ein paar Kinder, und alles wird gut, du weißt ja – Gras wird erst im Mund einer Ziege süß.«
Ebba gibt ein Geräusch von sich.
»Das Essen war echt lecker«, sage ich.
Ich stehe auf und beginne den Tisch abzuräumen. Far lässt mich nicht aus den Augen.
»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
»Echt lecker«, wiederhole ich und gehe in die Küche, um das Tablett zu holen.
Ich räume den Esstisch ab, Sune stellt Kaffeetassen auf den kleinen Tisch. Ebba macht Kaffee. Far sucht derweil seinen Swingsender im Radio. Er erwischt einen Livemitschnitt von einem Nina-Simone-Konzert. Someone To Watch Over Me . Sie wünscht sich so sehr jemanden, der ihren Spuren folgt und rechtzeitig kommt, um ihr zu geben, was sie so sehr braucht: jemanden, der über sie wacht. Wir singen alle mit. Der Schatten weicht endgültig aus dem Raum, und ein warmes Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Ich umarme Ebba und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Sie ruft nach Far, weil ich sie küsse. Er ruft zurück, dass ich sofort mit dieser Küsserei aufhören soll. Ich lache. Gott, wie habe ich das vermisst.
Nach dem Käffchen kündigt Far an, früh ins Bett gehen zu wollen. Er küsst alle Gute Nacht, erinnert mich noch mal an das Sommerhaus, dann verschwindet er ins Schlafzimmer. Ebba setzt sich vor den Fernseher und macht ihre geliebte Quizsendung an. Während wir abwaschen, versuche ich Sune zu überreden, noch auf ein Bier auszugehen, doch sie ist schon müde, weil sie die ganze Woche den Kindergarten um sechs aufgeschlossen hat. Ich drücke ihr ein paar Alte-Jungfer-Sprüche rein, und schließlich stimmt sie widerwillig der total verrückten Sache zu, am Wochenende nach neun Uhr noch vor die Tür zu gehen. Wir packen uns warm ein und verabschieden uns von Ebba. Sie kämpft sich aus dem Sessel, geht zu ihrem Portemonnaie und drückt uns jeweils zwanzig
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