Beziehungswaise Roman
ginge, wäre das sicher eine legitime Option.
Mit dem Haus ist alles in Ordnung, nur die Dachrinnen sind im Sommer fällig. Ich gehe durch die Hecke weiter in den Nachbargarten von Marianne und Leila, den ersten Lesben meines Lebens. Sie knutschten ständig herum und erklärten uns erstaunten Kids, dass sie verliebt seien. Wir schauten uns kichernd an und dachten, ballaballa, die haben doch gar keinen Mann! Doch sie erklärten uns, dass Liebe Liebe sei, egal zwischen wem. Wir ließen es ihnen durchgehen, schließlich gab es auf ihrer Veranda zu jeder Tageszeit eisgekühlte Limonade, und ihre Hündin Frida biss uns nie, wenn wir durch die Gärten streunten.
Ich gehe durch die Einfahrt wieder raus auf den Weg und reihe mich neben Far ein. Er schnauft immer noch. Ich finde ein paar Fuchsspuren im Schnee, die ich mir unbedingt anschauen muss. Ich hocke mich hin. Aha. Fuchsspuren. Im Schnee. So. Ich richte mich wieder auf.
»Es ist dein Job, oder?«
Ich schaue ihn verständnislos an.
»Dieser Lustigkram. Das gefällt dir nicht mehr, richtig?« Lustigkram.
»Wie kommst du darauf?«
»Na, früher hast du Tag und Nacht davon geredet, und jetzt erwähnst du es gar nicht mehr.«
Ich will schon einen Spruch dazu rauslassen, als mir auffällt, dass es stimmt. Ich rede wirklich nicht mehr drüber. Die euphorischen Zeiten, in denen ich jeden mit meinen Erfahrungen und neuen Gags zutexten musste, sind lange vorbei. Gott sei Dank. Arme Tess. Arme Frauke. Armer Arne. Scheinbar sogar armer Far.
Wir kommen an dem Grundstück vorbei, auf dem letztes Jahr ein Sommerhaus abbrannte. Durch die Lücke in den Baumreihen kann man weit über die schneebedeckten Felder hinausschauen, heute sogar bis zu dem Hexenhaus, das da draußen abgeschieden auf den Feldern liegt.
Jetzt könnte man einfach hinspazieren, ohne Angst, dass eine Hexe vom Baum springt und ein Kind frisst. Das Anwesen ist im Sommer zugewachsen, Bäume, Büsche und Hecken verdecken die Sicht. Man sieht nur das Dach und eine grüne Wand drum herum. Früher war es die Mutprobe, allein hinzugehen und etwas aus dem Garten mitzubringen. Als ich die Mutprobe bewältigte, brachte ich eine Handvoll Unkraut mit, was sich als Walderdbeeren herausstellte. Far pflanzte sie ein, und seitdem hatten wir Walderdbeeren im Garten, die sich explosionsartig ausbreiteten. Wir aßen an jedem Sommertag Erdbeeren aus dem Garten. Ich war also zu etwas nutze in meinem Leben. Prima.
Er hat wieder ein bisschen mehr Luft und nimmt den Faden wieder auf.
»Vielleicht könntest du mal wieder etwas machen, worauf du Lust hast.«
»Davon kann ich nicht leben.«
»Woher willst du das wissen? Ich wollte immer malen – ich malte, und heute habe ich ein Sommerhaus.«
»Du warst Angestellter mit Festgehalt.«
Er schüttelt den Kopf.
»Ich habe es oft genug umsonst getan. Weil ich Lust hatte. Tu mal wieder was, worauf du Lust hast. Du wirst sehen, das zahlt sich aus.«
»Ich habe Lust, mich an den Ofen zu setzen.«
»Hurra«, schnauft er und schon biegen wir wieder in unsere Einfahrt ein.
Wir laufen über die Steine, die wir vom Strand hochgeschleppt haben. Es war bei jedem Strandbesuch Pflicht, einen Stein für die Einfahrt mitzubringen. Heute ist der Weg zum Haus mit Steinen ausgelegt. Ich mag das.
Als wir die Tür öffnen, duftet es umwerfend nach Ofen und aufgewärmtem Gebäck. Wir ziehen uns die Schuheim Vorraum aus, klopfen sie ab und hängen die Mäntel auf die Haken.
»Tür zu! Die Wärme zieht raus!«, ruft Ebba.
Far richtet sofort einen Finger auf mich.
»Hast du gehört? Tür zu – bevor die Wärme rauszieht – hm!«
Er klopft mir auf die Schulter und geht rein. Er muss als Kind in einen Brunnen mit Metapherntrank gefallen sein. Nach dem Käffchen legt Far sich aufs Ohr. Ebba und Sune diskutieren weiter über die Kunst der Rosenzucht. Ich ziehe mir den Mantel wieder an und mache mich auf den Weg.
Kapitel 15
Die Treppe ist noch da und der Ausblick von der Klippe wie immer umwerfend. An klaren Tagen kann man von hier aus bis nach Schweden rüberschauen. Nicht dass Dänen das unbedingt wollen, aber dennoch schön. Unten wütet das Meer. Der Wind trägt einen starken Salzgeruch mit sich und zerrt an meiner Kleidung. Ich beginne, die einhundertsiebenundachtzig Stufen zum Strand herunterzusteigen, halte mich dabei am Geländer fest und behalte den Steilhang im Auge. Ich habe einmal erlebt, wie er ins Rutschen kam. Da helfen nur Tempo und Glück. Wie jedes Jahr haben die Winterstürme
Weitere Kostenlose Bücher