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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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dessen Garten Sune und ich einst die XXL-Kröte fanden, die, während wir einen Eimer holten, von einer hysterisch kreischenden Frau Jensen mit einer Gartenharke massakriert wurde.
    »Habt ihr Streit?«
    »Nein«, sage ich wahrheitsgemäß. Wir streiten uns nicht. Nie. Vielleicht hätten wir es tun sollen. Vielleicht hätten wir uns dann mehr auseinandergesetzt. Vielleicht hätten wir einen Weg gefunden. Vielleicht hätten wir uns aber auch nur mehr gestritten.
    Far lässt mich nicht aus den Augen und sucht nach einem Ansatz. Wie früher, wenn er ahnte, dass ich Mist gebaut hatte und bloß noch nicht wusste, welchen.
    »Tess war letzten Sommer nicht mit hier, und du erzählst in letzter Zeit kaum noch von euch.«
    Ich zucke die Schultern.
    »Sie arbeitet viel, und wenn wir uns sehen, kann sie nicht abschalten, und daher ... na ja, wir schlafen auch momentan nicht so viel miteinander.«
    Ich stocke. Merkwürdig, mit seinem Vater darüber zu reden.
    Er nickt verständnisvoll und macht eine wedelnde Handbewegung in Richtung Boden.
    »Aber da unten ist alles in Ordnung, ja?«
    »Meinen Füßen geht es gut.«
    »Sicher?«
    »Ja.«
    Er holt ein paar zweifelnde Falten hervor, aber das macht nichts. Ich bin fruchtbar. Das weiß ich so genau, weil ich Tess geschwängert habe, als wir zwei Monate zusammen waren. Wir beschlossen abzutreiben. Gott, wenn er das jemals rausbekommt, bin ich tot.
    Er mustert mich und wiegt den Kopf hin und her.
    »Solche Phasen gibt es in einer langen Beziehung.« Er denkt ein paar Schritte darüber nach. »Das Problem ist nur, ihr seid zu jung für diese Art von Beziehung.«
    »Zu jung, klar.«
    Er nickt nachdrücklich.
    »Ihr lebt wie ein altes Ehepaar, jeder macht seine Sachen, und zwischendurch trifft man sich mal auf ein Käffchen. Das ist in Ordnung, wenn man alt ist und lange zusammen ist, aber in eurem Alter kann euch das entfremden.«
    »Du meinst, wir sollen schneller altern?«
    Er grinst triumphierend.
    »Nein, ich meine, ihr sollt heiraten! In einer Ehe übersteht man solche Jahre. Jetzt macht ihr Karriere, doch irgendwann ändern sich die Bedürfnisse, und dann wisst ihr euch wieder zu würdigen.«
    »Wir wissen uns jetzt auch zu würdigen.«
    »Wieso? Habt ihr etwa Familie?«
    »Wieso? Können wir nur so in Würde leben?«
    Er verdreht die Augen. Ich verdrehe die Augen. Er verdreht die Augen noch viel mehr. Ich seufze.
    »Hör mal, echt, die Zeiten haben sich geändert. Die Frauen übrigens auch.«
    Er stößt die Luft verächtlich durch die Nase aus.
    »Pah! Die Zeiten ändern sich vielleicht, die Grundbedürfnisse bleiben immer die gleichen.«
    Zum Beispiel Luft – die ihm schon wieder fehlt. Erschnauft. Wir bleiben vor dem nächsten Haus stehen. Ich gehe durch die Einfahrt und drehe eine Runde in dem Garten, in dem Kim wohnte, der Wildeste aus der Sommerhausbande. Er war der beste Taucher, schwamm bei jedem Wetter raus, blieb am längsten unten – er war so etwas wie der Bandenchef zur See. Eines Tages fand er einen Zinnteller neben einem alten Schiffswrack. Er brachte ihn ins Nationalmuseum, und während das Museum den Fund zur Datierung ans Labor weiterleitete, ging Kim zurück und tauchte weiter. Er fand vierundneunzig Goldmünzen aus dem 12. Jahrhundert, sackte zehn Prozent Finderlohn ein, und die Medien fielen über Vejbystrand her wie Kidnapper über Lösegeld. Doch all das verpasste ich, weil ich zwei Monate zuvor nach Deutschland ausgewandert wurde. Der erste Sommer, den ich nicht am Strand verbrachte, und dann das – Mann, war ich sauer! Mein Vater schickte mir Zeitungsausschnitte, Kim mit einer Goldmünze, Kim vor dem gehobenen Wrack, daneben dumm grinsend die restlichen Jungs – und ich in einer Wohnung in Deutschland eingeschlossen, mich zu Tode langweilend, außer wenn der neue Freund meiner Mutter die Monotonie durch Prügeleinlagen unterbrach.
    Durch den Ansturm der Medien, den Einfluss falscher Freunde und Größenwahn drehte Kim durch, verplemperte das Geld, begann Sommerhäuser auszuräumen, um seinen neuen Lebensstandard zu finanzieren. Schließlich landete er mit einigen der Jungs im Jugendgefängnis. Ich habe nie wieder von ihm gehört, doch immerhin habe ich das »Goldschiff« im dänischen Nationalmuseum besichtigt. Das wahrscheinlich größte Abenteuer meiner Jugend fand ohne mich statt, und vielleicht hat Far recht, vielleicht verpasse ich ohne Kinder auch das größte meines Erwachsenenlebens. Aber was soll ich machen? Eins klauen? Wenn es nach Far

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