Beziehungswaise Roman
gedenkst du zu tun?«
»Frühstücken?«
»Das ist in der Tat das Einzige, das du früh machst. Jesses, ihr seid jetzt neun Jahre zusammen.«
»Sieben«, korrigiere ich und schiebe einen weiteren Löffel Ymer nach.
Er mustert mich mitleidig. Ebba und Sune verfolgen das Ganze und werfen sich Blicke zu. Far richtet einen Daumen auf die Fotowand hinter ihm und liefert mich wieder seiner ganz eigenen Logik aus:
»Wenn du jetzt keine Kleinen bekommst, wirst du später keine Großen haben, also, worauf wartest du? Du hast eine gute Frau, einen Job, bei dem du keine Lösungsmittel einatmen musst, du bist im richtigen Alter, Familie ist der nächste logische Schritt. Ich meine, du brauchst das Eichhörnchen ja nicht zu erschrecken, wenn es nicht flüchten soll.«
Ebba gibt ein kleines Geräusch von sich. Sune schickt mir einen Da-hast-du-es-Blick. Ich senke den Kopf und schaufele weiter Ymer in mich rein. Nach ein paar weiteren Gleichnissen aus der Tierwelt versackt seine Euphorie, weil ich ihn komplett ignoriere, und schließlich verstummt er beleidigt. Wir räumen den Tisch ab, packen ein paar Sachen zusammen und machen uns auf den Weg. Wir brauchen ewig für die Treppen. Mit den beiden Alten rauszugehen ist wie mit Kids – alle paar Meter wird angehalten. Meistens wegen Ebbas Bronchitis. Zehn Stufen, Pause. Zehn Stufen, Pause. Kaum hat sie sich erholt, muss Far husten. Wenn er sich erholt hat, geht Ebba wieder die Puste aus. Es ist schön, dass die beiden in ihrem Alter noch geistig fit sind, aber bald werden sie körperliche Hilfe brauchen. Was mache ich dann? Ich bin so verdammt weit weg.
Irgendwann kommen wir tatsächlich am Auto an. Nach zweihundert Erklärungen von Far, wie man seinen geliebten Citroën behandelt, ohne enterbt zu werden, fahren wirlos. Hinten plaudern Ebba und Sune über irgendwelche Blumen, die sie gerne im Garten einpflanzen würden. Far dirigiert mich und mustert meinen Fahrstil mit Argusaugen. Ich komme mir vor wie bei meiner ersten Führerscheinprüfung. Hoffentlich endet das hier besser.
Auf halber Strecke halten wir an einem Rasthof und nutzen die Gelegenheit, auf die Toilette zu gehen, denn im Sommerhaus gibt es bei diesen Temperaturen kein fließendes Wasser. Nach einer schnellen Notversorgung aus der Thermoskanne geht es weiter. Je näher wir der Küste kommen, desto weißer wird die Landstraße, und als wir schließlich am Sommerhaus ankommen, müssen wir erst mal aussteigen und den Schnee wegschaufeln, um in die offene Garage zu kommen. Die Kinder schaufeln, während Far das Haus aufschließt und den Ofen in Gang bringt. Ebba geht in die Küche. Schon bald riecht die eiskalte Luft nach der umwerfenden Mischung aus Winter und brennendem Ofenholz.
Far nickt mir zu, und wir gehen los, um einen Kontrollgang zu machen. Haus, Garage, Dach und Kinderhäuschen, das mittlerweile zum Geräteschuppen umfunktioniert wurde. Alles in Ordnung, keine Einbrüche, keine Frostschäden. Die Büsche sind überraschend hoch, von einer der hohen Tannen hängt ein Ast in den Nachbargarten rüber. Früher wäre das undenkbar gewesen. Auch das ein Zeichen, dass er nicht mehr der Fitteste ist. Im Schnee sind Spuren von Vögeln, Hasen und Füchsen. Sogar ein Reh war heute hier. Um den Komposthaufen herum ist der Schnee geschmolzen. Als wir näher kommen, macht sich eine Wildkatze auf und davon, sonst liegt der Garten unberührt da. Wie oft tobte ich mit den Jungs hier herum. In den letzten Jahren habe ich mich öfter gefragt, wie es wäre, meine Kinder hier herumtoben zu sehen.
Far beobachtet mich von der Seite.
»Wie geht es dir?«
»Gut.«
»Sicher?«
»Denke schon.«
»Du wirkst aber nicht so.«
»Na ja, weißt du, mein Vater war gerade im Krankenhaus ...«
Er winkt ab.
»Schieb es nicht auf mich. Im Sommer warst du auch schlecht drauf. Dir liegt doch was auf der Zunge, was du mir unbedingt mitteilen willst, und das ist richtig so. Also sträub dich nicht dagegen, erzähl es mir einfach.«
Ich werfe einen Blick nach oben und runzele die Stirn. »Grundgütiger! Was ist denn mit der Tanne da? Hängt die etwa zu Olsen rüber?«
Er wirft einen finsteren Blick nach oben in die Wipfel und schweigt beleidigt. Wir biegen auf den Weg ein und gehen gemächlich den Hügel hoch. Davon abgesehen, dass es verboten ist, in den Sommerhäusern zu überwintern, sind die Häuser fast alle aus Holz und schlecht isoliert. Dementsprechend sind wir die Einzigen in der Nachbarschaft, die bei diesem Wetter heute hier
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