Beziehungswaise Roman
schön war. Ich sage, dass sie in Vejby gefehlt hat. Sie sagt, dass das doch alles komisch ist. Ich stimme ihr zu. Sie wird still. Sie klingt wirklich geschafft, also wärme ich ein paar Geschichten von Far auf. Ich höre ihr Lächeln. Dann wird sie schläfrig. Ich rede weiter, bis ich sie tief atmenhöre. Dann lege ich auf. Dann sitze ich ein bisschen da. Dann gehe ich wieder rein.
Wir schauen Familienfest , ich trinke, Arne lutscht, Frauke raucht, jedem das Seine und vor allem das eine: zusammen abhängen und Filme schauen. WG-Abend vor der Glotze ist auch Gott.
Nach Familienfest und einer längeren Grundsatzdiskussion, wieso man nach einem Drama keinen Splatter gucken kann und warum man nach Die letzte Kriegerin gar nichts mehr schauen kann, einigen Frauke und ich uns darauf, zuerst Mystic River und danach 28 Tage später zu schauen. Arne ist dagegen, denn in 28 Tage später werden Tierschützer aus Sensationsgründen diffamiert. Nach einer weiteren Diskussion darüber, ob es gerechtfertigt ist, Tierschützer als Auslöser für eine weltweite Seuche zu benutzen, stimmen wir ab. Zwei zu eins gegen Arne. Er nimmt die Niederlage demokratisch hin, sprich: Er schmollt, bringt aber niemanden um.
Endlich kann ich die DVD reinschieben, doch leider ist es kurz vor acht, und schon muss Frauke sich unbedingt die gefährlichste Sendung im deutschen Fernsehen antun – die Tagesschau. Natürlich weiß sie, dass Nachrichten durch parteibuchbesetzte Gremien und Lobbyismus manipuliert sind, doch bei der Tagesschau mutieren sogar superkritische Menschen wie sie zu nickenden Nachrichtenjunkies. Manche gehen shoppen, andere spielen Ballerspiele, Frauke zieht sich One-liner-Journalismus rein, und das ist völlig in Ordnung. Außer wenn man neben Arne sitzt. Ich werfe Frauke einen Blick zu, aber man müsste schon schweres Gerät auffahren, damit sie jetzt noch umschaltet.
Zuerst kommt eine Autobombe im Irak und Bilder von blutigen Schuhen. Die Täter: Aufständische. Die Opfer: Unschuldige. Frauke schüttelt den Kopf. Als Nächstes fordert ein Politiker, der Bürger müsse sparen, ein anderergreift ihn dafür scharf an, aber in einem sind sich beide einig – die Diäten müssen dringend erhöht werden, damit die fähigsten Kräfte nicht in die Wirtschaft abwandern. Frauke schüttelt den Kopf. Arne stößt die Luft durch die Nase aus. Ich nicke ihm zu.
»Fragt sich nur, wo das Staatsdefizit herkommt, wenn alle so fähig sind, was? Wollen wir nicht lieber den Film schauen? Wir könnten Frauke überstimmen, also, wer ist dafür?« Ich hebe eine Hand. Er starrt auf den Bildschirm. Alles klar. Nächste Meldung: Es wurden wieder Steuergelder in Millionenhöhe verschwendet, der Bund der Steuerzahler kritisiert das – und wird sofort von mehreren Steuerverschwendern als unseriös denunziert. Frauke schüttelt den Kopf, Arne stößt Luft aus. So geht es ein paar Minuten weiter, ein bisschen Krieg, ein bisschen Steuererhöhung, ein bisschen Arbeitslose, das Endlosnachrichtenband leiert, eigentlich hat sich in den letzten dreißig Jahren nur die Studiokulisse verändert. Alles läuft ohne Probleme, bis verkündet wird, dass die Verträge mit den Atomkraftwerken um weitere zwanzig Jahre verlängert und gleichzeitig die Gelder für alternative Energiegewinnung gekürzt werden. Arne setzt sich gerade hin.
»Die Scheißatomlobby! Die kann anscheinend wirklich jeden schmieren! Sie korrumpieren den Staat, denunzieren politische Gegner und sorgen für die Entlassung kritischer Journalisten! Die treten die Demokratie so lange mit Füßen, bis wieder Bomben hochgehen!«
Frauke saugt an ihrem Joint.
»Verklag sie doch«, sagt sie. »Wenn sich jemand nicht an die Gesetze hält, kannst du ihn zur Rechenschaft ziehen. Wir leben in einem Rechtsstaat.«
Ich starre sie an. Sie muss den Verstand verloren haben. »Rechtsstaat«, sagt Arne langsam.
»Ja, genau«, sagt sie.
Ich mache ihr ein Zeichen runterzukommen. Sie ignoriert mich. Verdammte Kiffer.
Arne legt los:
»Gerichtsverfahren werden so lange verschleppt, bis den Armen das Geld ausgeht. Das Kartellamt wird entmachtet. Politiker veruntreuen unser Geld, und wenn sie erwischt werden, zahlen sie sich lebenslange Renten und verkaufen unsere Gesundheit an die Pharmaindustrie. Contergan, genmanipuliertes Getreide – die freie Marktwirtschaft ist ein einziger Freiluftversuch, und das Volk ist die Versuchsratte. Es gibt immer mehr Armut und immer reichere Reiche. Wir haben kein Sprachrohr mehr und
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