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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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auch kein Forum, denn die Medien, aus denen du deine Informationen beziehst, gehören den Konzernen, die davon profitieren, dass du desinformiert bist.«
    »Gewalt ist aber auch keine Lösung«, sagt Frauke blasiert. Das war’s. Auch als die Tagesschau längst zum Tatort geworden ist und sich dort der Hauptverdächtige als unverdächtig herausstellt, was den Kommissar total überrascht, streiten die beiden sich immer noch über die Gefahr von medialer Monopolisierung. Frauke verteidigt die Medien, die zwar Unmoralisches, aber nichts Ungesetzliches machen, Arne dagegen zählt Manipulationen à la Golfkrieg auf. Ich erinnere beide daran, dass wir einen Film schauen wollten, und werde ignoriert. Also höre ich weiter zu und lerne. Vor allem: Lass dich nie mit einer hanfverklärten Rechtsanwältin und einem pilzigen Kampfsportler auf einen Streit ein. Die eine argumentiert und argumentiert und argumentiert, bis man sich nahezu wünscht, dass der andere zuschlägt.
    Ich trinke Bier und schaue Tatort ohne Ton. Der Kommissar verdächtigt jetzt endlich den Richtigen, den er die ganze Zeit kannte, dem er aber bisher vertraute, weil er auch noch nach zwanzig Dienstjahren in diesem rauen Job anderenMenschen vertrauen kann. Nach einer kurzen Verfolgung erschießt er ihn mit einem wilden, selbstgerechten Blick, und wir wissen, dass er nie wieder jemandem vertrauen wird. Kurz danach wird der Abspann durch Vorschauen gekillt. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Ich hebe die Hand.
    »’tschuldigung. Können wir jetzt bitte den nächsten Film schauen?«
    Beide ignorieren mich, tief in einer Debatte über Bürgerrechte versunken. Alles klar. Ich gehe auf Toilette. Als ich wiederkomme, ist das Fernsehen Thema. Programmauftrag und Qualität. Frauke findet Talkshows entspannend. Arne sagt, Entspannung sei nicht der Auftrag, Fernsehen soll bilden. Frauke sagt, nach einem langen Tag im Büro sei eine lockere Talkrunde genau richtig zum Abschalten, und vergleicht es mit Häkeln, was ich lustig finde. Arne nennt sie oberflächlich und zitiert:
    »Das Programm des Rundfunks muss so gestaltet werden, dass es dem anspruchslosen Geschmack gefällig und verständlich erscheint.«
    Frauke runzelt die Stirn.
    »Wer hat das gesagt? Ein Programmdirektor?«
    »Goebbels«, sagt er mit einem Tonfall, der dem Gesichtsausdruck des Kommissars ähnelt. Ich weiß nicht, wie er es schafft, Genugtuung auszudrücken, ohne eine Miene zu verziehen, aber er schafft es.
    Frauke mustert ihn belustigt.
    »Behauptest du allen Ernstes, dass Talkshows der Beginn von Faschismus sind?«
    Sie hat das böse F-Wort gesagt!
    Ich presse meine Handflächen gegeneinander und schaue zwischen beiden hin und her.
    »O bitte, nicht Faschismus!«, flehe ich. »Können wir nicht einfach den verdammten Film gucken?!«
    Arne dreht seinen Kopf ein paar Zentimeter und schaut mich an.
    »Davon leben diese Arschlöcher ja – von Typen, die durch Konsum ruhig gestellt werden. So können sie den Beschiss ungestört durchziehen. Die einzige Sprache, die diese Schweinebande noch respektiert, ist die militante.«
    »Du bist total sexistisch.«
    Für einen Moment entgleist ihm fast ein Gesichtszug, während er seine Aussage prüft. Dann kriegt er sich wieder ein und mustert mich ausdruckslos. Frauke wirft mir einen rötlichen Blick zu.
    »Was ist denn daran sexistisch?«
    Ich hebe einen Klugscheißerfinger.
    »Militant sein bedeutet Gewalt ausüben, und Gewalttätige sind ja meistens Männer, da müsste es doch eher Milionkel heißen, oder?«
    Ein Augenblick der Stille. Dann reißt Frauke die Augen auf und prustet in die Hand. Arne mustert mich finster.
    »Du machst dich immer nur über alles lustig.«
    »He, vielleicht könnten die Militanten ja mal ihre Milineffen mit zur Demo bringen.«
    Jetzt funkeln seine Augen.
    »Wovor hast du nur so viel Angst? Mal was Sinnvolles zu tun würde dich nicht umbringen.«
    »Du meinst so etwas wie Frösche über die Straße tragen? Oder wie keine Miete mehr zahlen?«
    Er starrt mich an, ohne eine Spur von Verlegenheit. »Wir brauchten Geld für die Aktionen.«
    Keine Entschuldigung, bloß eine Mitteilung.
    Frauke mustert ihn, dann mich, dann wieder ihn. »Verstehe«, sage ich. »Du stehst manchmal um fünf Uhr auf und radelst hundert Kilometer, um dich von einem Atomtransporter überrollen zu lassen, doch deine Freunde lässt du auf deinem Mietanteil hängen, ohne ein Wort darüberzu verlieren. Glaubst du, wir scheißen Dukaten, weil wir einen Job

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