Beziehungswaise Roman
Frauen vor Tess, manchmal vergesse ich das schon. Alte Bilder flackern in meiner Erinnerung auf: Anja, verschwitzt unter mir. Anja, lachend über mir. Anja, auf den Knien vor mir. Pandoras Büchse? Ha! Pandoras Schlafzimmer! Pandoras SM-Keller! Pandoras Swingerhangar! Sperrt eure Töchter ein! Und die Mütter! Und die Großmütter! Und, verdammt, verschließt den Stall!
»Nicht bewegen«, sagt eine Stimme.
Es blitzt grell direkt in mein Gesicht. Ich kneife die Augen zusammen, ducke mich und stoße automatisch einen Handballen nach vorne. Er trifft etwas Weiches. Jemand stöhnt. Ich öffne ein Auge und sehe rote Punkte in der Luft tanzen. Mittelpunkt des Ganzen ist ein Mitarbeiter vom Produktionsteam, der eine Polaroidkamera in der einen Hand hält und sich mit der anderen das Brustbein massiert, während er mich beleidigt anschaut.
»Mensch, was soll das?«
»Gute Frage.«
Er schaut mich empört an.
»Es ist für die Produktion! Wir brauchen Fotos von allen Teilnehmern!«
»Frag einfach vorher.«
Er wirft mir einen Blick zu: kaum Fernsehauftritt, schon arrogant, jaja. Dann schaut er Nina übertrieben unterwürfig an.
»Gnädige, darf ich bitten ...?«
Ohne ihre Einwilligung abzuwarten, hält er ihr die Kamera vors Gesicht und blitzt. Sie stößt ihn ebenfalls vor die Brust.
»Au ! «
Er reibt sich die Brust, schaut zwischen uns hin und her und geht dann murmelnd zu der Kostümierten. Dort fragt er vorher und wartet auf die Einwilligung. Manchmal ist Gewalt eben doch die Lösung.
Ich gehe zum Catering und stelle mir eine Flasche Wasser warm, damit es mir nachher nicht die Stimmbänder zuzieht, dabei lasse ich mich, wie nebenbei, neben dem UFZ auf einen freien Stuhl sinken und horche ihn wegen Jobs aus. Er meint, er hätte da vielleicht einen Messejob, aber inoffiziell. Damit meint er nicht das Finanzamt, sondern meine Agentur, denn viele Eventfirmen arbeiten nicht mehr mit Clemens zusammen. Aber ich kann nichts hinter Clemens’ Rücken machen, da immer alles irgendwann herauskommt und Clemens sehr empfindlich, sprich nachtragend ist. Also erinnere ich den UFZ an die Jobs, die ich ihm besorgt habe, und schließlich verspricht er, mal bei seiner Eventfirma nachzufragen, vielleicht machen die ja eine Ausnahme. Es geht voran und ich weiter zum HB-Männchen. Er hat gerade nichts, verspricht mir aber, sich umzuhören. Ich arbeite mich von Stuhl zu Stuhl, die meisten Gespräche laufen nach demselben Muster ab: Ich würde dir ja gerne helfen, aber der Markt ist gerade schwierig, obwohl ... also, bei mir läuft es total gut, du. Aber reden wir nicht mehr von mir – was sagst du denn zu meiner Show? Als ich mich einmal im Kreis geredet und meinen Text fünfmal abgeschrieben habe, taucht Clemens auf, BH im Arm, wie eine Trophäe. Diesmal trägt sie ein rotes Kleid, das im Kontrast zu ihren blonden Haaren einen sagenhaften Anblick abgibt. Ihr Blick sucht meinen, und als sie ihn findet, lächelt sie, als hätten wir ein Geheimnis. Hoffentlichstimmt das auch. Ich glaube, es würde Tess auch noch nach unserer Beziehung verletzen. Nicht dass ich mal einen One-Night-Stand hatte. Aber mit BH? Dafür gibt es eigentlich keine Rechtfertigung. Aus Sicht einer Frau. Aus Sicht eines Mannes fallen einem schon ein paar ein.
Clemens lässt sie los und kommt mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Ich stehe auf, doch er geht an mir vorbei und schnappt sich Ninas Hand.
»Nina Jansen!«, lacht er herzlich. »Das war wirklich toll am Freitag! Ich freue mich schon sehr auf heute Abend!«
Er schüttelt ihre Hand. Dann entdeckt er plötzlich mich und lacht überrascht, als wäre es ein Wunder, dass ausgerechnet wir uns ausgerechnet hier treffen. Er lässt Ninas Hand los und nimmt meine. Er schüttelt sie und klopft mir mit der anderen herzlich auf die Schulter.
»Lasse!«
»Clemens!«
Er strahlt in die Runde und senkt die Stimme.
»Ich hoffe, du bist gut vorbereitet, wir können heute nicht so viel für dich tun.«
Ich runzele die Stirn und lasse seine Hand los.
»Wie, ist das Schmiergeld alle?«
Er lacht nicht.
»Ich und Bettina sind zwar in der Jury, aber die Jury hat heute nur fünfzig Prozent Stimmrecht. Den Rest entscheiden das Publikum und die Fernsehzuschauer.« Er kniept sein Auge und senkt die Stimme. »Also, offiziell.«
Ich schaue ihn an.
»Es ist ... live?«
Er mustert mich, nicht ganz sicher, ob ich scherze. »Natürlich ist es live.«
»Live ...«, stöhne ich und lasse mich erschüttert auf einen Stuhl sinken,
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