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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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reinkommt, freut sie sich, weil sie uns hat lachen hören, ihre Nummer gefiel uns, ja? Gut. Wirklich, sie freut sich. Wir nicken ihr zu. Manchmal ist Ehrlichkeit bloß gemein.
    Slomo-Manne ist dran. Er ist, wie immer, langsam und gut, der folgende Comedian laut und gut, Kohl verhalten und sehr gut, der Roboter perfekt und öde, das HB-Männchen hysterisch und klasse, die Schönheit ist schön und Gott sei Dank schlecht, jeder ist anders, und dennoch ist es irgendwie immer dasselbe – vielleicht weil die Geschichten immer dieselben sind: Unterschiede zwischen Frau und Mann. Echt gut, dass ich mir einen Text ausgesucht habe, in dem es um Frauenliteratur aus männlicher Sicht geht. Na ja, zu spät, um etwas daran zu ändern.
    Nina ist dran. Ich spreche ihr Mut zu, sie brauche nicht nervös zu sein, sie schaffe das und so weiter. Sie nickt bloß, geht seelenruhig raus, spricht leise, bewegt sich kaum, nimmt die ganze Hektik aus dem Raum, setzt am Ende eine tödliche Hookline und geht wieder ab. Alle applaudieren.Sie stellt sich wieder neben mich und lächelt scheu. Alle mustern sie, als wäre sie ein Alien.
    »Jesus, Maria und Josef«, sagt Manne.
    »Liegt am Text«, erkläre ich ihnen. »Ist von mir.«
    Niemand beachtet mich. Mein Name wird aufgerufen. Ich setze mein Headset auf und gehe zu meinem ganz persönlichen Klebestreifen. Die Scheinwerfer blenden, aber nicht so sehr, dass man nachher das Publikum nicht erkennt. Ich tippe mit einem Finger auf das Headset.
    »Hallo. Kann ich bitte mehr Licht haben?«
    »Gosh! Der lustige Däne!«, knarrt eine Stimme über die Monitoranlage. »Ich hab gehört, du wärst ertrunken!«
    Ich halte die Hand gegen die Scheinwerfer, starre zur Regie hoch und sehe die wilde Mähne von Richie. Früher ein guter Theaterregisseur. Jetzt ein guter TV-Regisseur mit Grimmepreis für Improshows.
    »Rich! Scheiße! Ist Inkontinenz jetzt heilbar, oder trägst du ’ne Windel?«
    Er gibt ein Geräusch zwischen Husten und Spucken von sich. Scheinbar raucht er immer noch diese Zigarren. »Verflucht, ich . .« Er röchelt wieder, hebt ein Taschentuch und hustet rein. Dann mustert er das Ergebnis. »Gosh, ich löse mich auf . .« Er wirft das Taschentuch angewidert zu Boden und nickt mir zu. »Los geht’s, bevor ich verrecke.« Eine Kamera leuchtet auf. Ich bringe meinen Text erstaunlich flüssig. Dadurch habe ich genug Raum, um mit den Kameras zu spielen und Rich an einer Stelle den Finger zu zeigen. Proben trägt Früchte. Nach einer letzten Beleidigung und einem letzten Bluthusten aus der Monitoranlage gehe ich von der Bühne. Kanacke kommt mir kopfschüttelnd entgegen.
    »Du lernst es nie«, sagt er.
    »Wissen die, dass du aus Bielefeld bist?«
    Er rempelt mich an und geht auf die Bühne. Wir schauenzu, wie er auf den Deutschen rumhackt. Natürlich auch mal auf Türken, sonst wäre er ja rassistisch, nee, nee.
    »Der ist gut«, sagt Nina.
    Alle nicken. Das ist ja das Problem. Warum kann Talent nicht an Charakter gekoppelt sein? Und wie lange lassen die Deutschen sich das noch bieten? Fast täglich werde ich an den Nationalsozialismus erinnert. Mahnmale, Gedenkstätten, Dokumentation, Zentralrat der Juden, Politiker, Jahrestage, ständig erinnert jemand oder etwas. Und das ist gut. Für meine Entwicklung war es wichtig, mich intensiv damit auseinandersetzen zu müssen, denn für ein dänisches Kind sind Nazis einfach nur die, die in Filmen abgeknallt werden. Die deutsche Geschichte ist auch deswegen so lehrreich, weil vermutlich keine Nation der Neuzeit je solche Lehren aus einem Krieg gezogen hat. Aus Schuld ist längst Verantwortung geworden. Die Nazis waren furchtbar, doch die Deutschen heute sind pazifistisch. Das macht mir Hoffnung. Für den Balkan. Für Amerika. Für den Nahen Osten. Für den fernen. Für Afrika. Für die Menschheit.
    Natürlich kann man keine Nation mit der deutschen vergleichen. Doch ein Beispiel nehmen kann man sich allemal. Denn was mich immer wieder nervt, ist die unausgewogene Berichterstattung: Wenn ein deutscher Skinhead im Rassenwahn einen Ausländer zusammenschlägt, geht es durch die internationale Presse. Doch was ist mit den USA, mit Frankreich, England, der Türkei, Russland usw.? Rassismus ist ja kein deutsches, sondern ein menschliches Problem, überall auf der Welt greifen jeden Tag Arschlöcher andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Kultur oder Religion an. Doch wehe es ist ein deutsches Arschloch, dann werden die Deutschen von allen Seiten ermahnt, doch

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