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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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nicke. Und dann schauen wir zu, wie Nina untergeht. Ihre ruhige, pointierte Art ist völlig deplatziert, obwohl die Kerle im Saal sie sofort beschützen wollen und dies auch sehr offenherzig verkünden, aber es sind eben nur ein paar der Kerle. Die anderen versuchen immer noch, die Frau am Nachbartisch klarzumachen.
    Der UFZ seufzt kopfschüttelnd.
    »Mann, Mann, Mann ...«, sagt er finster. »Das ist genau Kanackes Publikum.«
    Manne nickt betrübt.
    »Und heute wird uns auch keine Jury retten.«
    Die beiden nicken, und ich frage mich, was Clemens wieder vorhat. Ein Karnevalslied ertönt. Nur daran merken wir, dass Nina durch ist. Kein großer Abschlussapplaus. Sie kommt von der Bühne und schaut mich ratlos an.
    »Nimm’s nicht persönlich«, sagt Manne. »Du warst gut.« »Genau«, sagt der UFZ.
    »Ihr klingt wie Fußballer, die ihre Niederlage auf die Platzverhältnisse schieben. Fakt ist: Die Guten kommen überall klar.«
    Wir drehen den Kopf. Kanacke grinst uns an. Der Aufnahmeleiter gibt mir hektische Zeichen. Draußen moderiert mich BH bereits an. Der lustige Däne. Mein Einsatz.
    Als ich auf die Bühne komme, heult die SM-WG auf, als hätte man heißes Öl über ihr ausgegossen. Die Reaktion der restlichen Halle ist freundliche Toleranz. Sie machen mir keinen Vorwurf, dass ich da bin, dafür soll ich sie bitte schön in Ruhe lassen. Meistens brauche ich eine Minute, um zu wissen, wie der Gig wird. Heute reicht eine Sekunde.
    Ich bringe meinen Opener, dass ich jeden Aschermittwoch als Antialkoholiker aufwache. Die Hälfte der Halle schmunzelt. Die andere hört nicht zu. Die SM-WG jault. Ich bringe die Pointe. Die eine Hälfte schmunzelt, die andere hört nicht zu, die SM-WG jault. Und ab da wiederhole ich alle Anfängerfehler, die ich je gemacht habe. Ich stehe so weit vom Bühnenrand weg, dass die Scheinwerfer mich kaum noch beleuchten. Ich vergesse, in die Kamera zu schauen, und wenn nicht, schaue ich in die falsche. Ich hetze durch den Text, und statt mal Tempo herauszunehmen, werde ich immer schneller, um es hinter mich zu bringen. Ich setze die Sache so richtig in den Sand. Ich weiß es und kann nichts dagegen machen.
    Nina steht hinter dem Vorhang und gibt mir Zeichen, langsam zu machen. Ich versuche es ja, doch gegen meinen Fluchtreflex komme ich nicht an. Ich will gar nicht hier sein, mein Körper spürt das und will mir helfen, schnell wegzukommen.
    Der Kanacke steht neben Nina und grinst mich mit verschränkten Armen an. Oben in der Jury schüttelt Clemens den Kopf. Einmal räuspert Rich sich sogar in der Monitorbox, um mich zu wecken, unten verstummt die SM-WGnach und nach. Auf der Bühne verrecken. Ist mit das Schlimmste, was es gibt. Ich richte meine Augen auf einen Punkt an der Rückwand und springe von Silbe zu Silbe in Richtung Erlösung.
    Die. Längsten. Minuten. Meines. Lebens.
    Aber sogar die gehen vorbei. Erleichtert bringe ich die Schlusspointe. Die Hälfte der Halle schmunzelt, die andere ignoriert mich. Es kommt kein großer Applaus auf. Vielleicht merken sie nicht, dass ich fertig bin. Und nicht nur mit der Nummer. Schätze, nach der Sache hier kann ich mir eine neue Agentur suchen. Ich sollte mich verbeugen und gehen, meine Füße bewegen sich aber nicht. Ich stehe einfach da und schaue mich um und erwische dabei tatsächlich mal eine leuchtende Kamera.
    »Karneval ist toll«, erkläre ich ihr. »Heute früh war ich joggen. Ich hab jetzt noch Muskelkater vom Überspringen der Kotzlachen.«
    Die eine Hälfte der Halle lacht träge. Aus der anderen Hälfte drehen sich ein paar Köpfe herum. BH, die bereitsteht, um mich abzumoderieren, schaut überrascht drein. Ich wende mich frontal dem Feind zu.
    »Wenn man ’ne Frau mit nach Hause nimmt, ist normalerweise die Frage: Liebt sie dich oder liebt sie dich nicht. Im Karneval lautet die Frage: Kotzt sie oder kotzt sie nicht.« Ein paar Lacher und ein bisschen Zustimmung. Ich trete endlich näher an den verdammten Bühnenrand und tue, als würde ich eine Blume zerpflücken.
    »Sie kotzt ... sie kotzt nicht ... sie kotzt ... sie ist eine Frau ... sie ist ein als Transe verkleideter Beamter ...«
    Der erste richtige Lacher. Immer mehr Gesichter wenden sich der Bühne zu, weil sie merken, dass irgendetwas passiert. Oben in der Regiebox bricht Hektik aus. Richies Wuschelkopf zuckt hin und her auf der Suche nach dem Programmablauf. Der Aufnahmeleiter hüpft aufgeregt nebender Bühne herum und klopft hektisch auf seine Uhr. Ich gehe ein paar

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