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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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zu halten. Die Tür schließt sich hinter ihr, und Sune schaut mich an. Ihr Kinn beginnt zu zittern. Ich ziehe sie an mich.
    »Und weißt du, was wir jetzt machen?«, flüstere ich. Sie schüttelt den Kopf.
    »Wir bauen uns eine Höhle.«
    Ich breite eine Decke über uns aus und ziehe sie über unsere Köpfe. Sie kuschelt sich an mich. So sitzen wir in dieser eigenen Welt, die es schon immer unter jeder Decke gab. Einst Sicherheit vor Monstern. Heute vor kranken Häusern.

 
Kapitel 23
    Künstliches Licht. Feuchtwarme Zugluft. Leises elektrisches Summen. Es riecht nach Desinfektionsmitteln und Sauerstoffarmut. Irgendwo weint jemand unterdrückt. Auch ohne etwas zu sehen, spürt man, dass das hier kein guter Platz ist, um die Augen zu öffnen. Oder zu schließen.
    Ich öffne die Augen. Der Blick deprimiert. Aluminium, Vinyl, Plastik, Linoleum. Blinde werden hier sicher schneller gesund. Neben mir liegt Ebba auf einem dieser Rollbetten, die man braucht, wenn man in den OP muss. Sie schläft mit halb offenem Mund, in dem künstlichen Licht sieht sie krank aus. Ich möchte nicht wissen, wie ich aussehe. Halb sechs. Nach Ebba hat Sune Fars Hand übernommen. Danach wäre ich dran gewesen, doch sie hat mich schlafen lassen. Ich richte mich langsam auf und nicke dem Patienten von heute Nacht zu, der ein paar Stühle neben uns sitzt. Sogar in meiner Brust knackt es. Tod durch Besucherstuhl.
    »Guten Morgen.«
    Er nickt ein Nicken, das das Gegenteil aussagt.
    »Wen besucht ihr?«, fragt er heiser.
    »Meinen Vater.«
    »Was hat er?«
    »Wissen wir noch nicht.«
    Er mustert mich eine Weile. Irgendwas hat er auf dem Herzen, aber das wäre hier wohl die falsche Frage. Er stehtauf und schlurft los. Die Räder des Ständers quietschen. Neben mir bleibt er stehen, ohne mich anzusehen. »Kontrolliert die Medikamente«, flüstert er. »Die Schwestern verwechseln die Tabletten. Vor allem die Rothaarige.« »Danke«, flüstere ich.
    Er nickt und sieht aus, als würde er dem noch etwas hinzufügen, doch dann schlurft er langsam den Gang hinunter. Er wirkt weniger isoliert. Helfen hilft.
    Ich stehe auf und stecke den Kopf ins Krankenzimmer. Die anderen Patienten scheinen zu schlafen. Sune sitzt auf einem Stuhl neben Fars Bett und hat ihren Kopf auf das Bettlaken gelegt. Als ich neben dem Bett stehen bleibe, schlägt Far die Augen auf. Im ersten Augenblick hat sein Blick eine erschütternde Orientierungslosigkeit, dann erkennt er mich und lächelt kraftlos.
    »Guten Morgen«, sagt er und versucht frisch zu klingen. Ich nehme seine Hand.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Gut«, sagt er automatisch und horcht erst jetzt in sich hinein. Er befühlt das Pflaster auf seiner Stirn. Dann dreht er den Kopf, mustert Sunes Kopf auf dem Laken, dann wieder mich, und in seine Augen kehrt Leben ein.
    »Ist jemand gestorben?«, fragt er und liefert eine Grimasse, die wohl ein Grinsen sein soll.
    »Sag mir lieber, was passiert ist.«
    »Bin umgefallen und hab mich über der Augenbraue abgerollt.«
    Sune hebt verschlafen den Kopf, sieht, dass er wach ist, und greift zugleich nach dem Wasserglas, das auf dem Beistelltisch steht.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Ganz gut«, sagt er und trinkt einen Schluck aus dem Glas, das sie ihm hinhält. Er leckt sich über die Lippen. »Wann kann ich nach Hause?«
    Die Tür geht auf. Eine Schwester kommt herein. Nicht die von gestern, sondern eine jüngere und gestresster. Ihre Augen sind vom Schlaf verquollen. Als sie uns sieht, stutzt sie überrascht.
    »Es ist keine Besuchszeit.«
    Sune steht auf, bereit, sie anzuspringen, wenn es nötig sein sollte.
    »Wir wollen einen Arzt sprechen.«
    »Visite ist um sieben. Geht bitte raus. Denkt an die anderen Patienten, die ihre Ruhe brauchen.«
    Sie geht von Bett zu Bett und legt jedem Patienten eine Pillenschachtel auf den Nachttisch, ihre Gummisohlen quietschen auf dem Boden.
    Ich nicke Far beruhigend zu.
    »In einer Stunde kommt der Arzt. Dann wissen wir mehr.«
    Er schaut zu uns hoch.
    »Kommt ihr wieder?«
    Sune beugt sich vor und streichelt seine Wange.
    »Wir gehen erst gar nicht weg. Wir sind gleich vor der Tür. Ebba ist auch da. Wenn du rufst, kommen wir rein.« »Gut«, sagt er erleichtert.
    Als wir rauskommen, ist der Gang immer noch unbelebt. Wir setzen uns auf die Plastikstühle. Neben uns schläft Ebba tief. Auf der Liege wirkt sie wie eine Patientin. Ich muss sie im Auge behalten, bevor noch ein übermüdeter Pfleger sie wegkarrt.
    »Wir müssen ihn hier rausschaffen«,

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