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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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Nach Universum B zu fahren wäre mir nie in den Sinn gekommen. Zu teuer. Egg und Rocky waren schon Anfang der Woche zu ihrer Tour in die Sierras aufgebrochen. Und ich – nun, ich hatte herausgefunden, dass mein offizielles Geburtsdatum nicht stimmte, dass ich älter war, als ich gedacht hatte – 
und dass ich ein Alter Ego besaß.
Daraufhin hatte ich mein Konto leer geräumt, das Ticket gekauft, ein Zimmer im
QueenBee Inn
gebucht und meinen Rucksack gepackt. Abgesehen davon ...
    War ich jetzt hier.
    Ich trat ein.

    Es war ein Laden voller, na ja, voller Bücher.
    Es gab Tausende davon: Bücher auf Tischen. Bücher in Regalen. Bücher in allen Größen, Farben und vermutlich zu allen Themen. Sie füllten jede verfügbare Fläche von Wand zu Wand aus.
    In der Nähe des Eingangs hatte ich einen Tisch gesehen, der mit »Bestseller« gekennzeichnet war, und griff wahllos nach einem der Bücher, die sich darauf stapelten. Es fühlte sich überraschend leicht an. Die Beschreibung auf der Rückseite versprach eine fesselnde Geschichte von Liebe und Rache im Wilden Westen, verfasst von einem Autor, mit dessen Verständnis für historische Genauigkeit es wohl nicht allzu weit her war, wenn man nach dem gepflegten Pärchen urteilen durfte, das sich mit blitzenden, perfekten Zähnen auf dem Umschlag anlächelte. Ich warf einen Blick ins Buch – es gab keine weiteren Bilder, nicht einmal Anzeigen, bloß Text –, dann legte ich es auf den Stapel identischer Bücher zurück und begab mich tiefer in den Buchladen hinein. Es war still. Nicht die Art von Stille aus einem Museum, eher wie in einem gehobenen Weinlokal. Ich gehörte zu nur einer Handvoll Kunden, die sich im ganzen Geschäft verteilten. Eine einzelne Angestellte stand hinter der Theke und kassierte gerade. Zwischen dicht gedrängten Regalen führte genau in der Mitte des Ladens eine breite, geschwungene Treppe ins Obergeschoss.
    Baumbücher.
Ich konnte mich nicht daran erinnern, schon einmal eines gelesen zu haben, obwohl ich das als Kind wohl getanhaben musste, vor der Großen Recyclinginitiative der 1990er-Jahre. Damals hatte man alle Luxusgüter aus Papier eingesammelt und in sinnvolle Produkte umgewandelt, die
nicht
durch Omnis ersetzt werden konnten. Toilettenpapier. Kartons. Eierschachteln.
    Aber das war in Universum A.
    Ein kantiges Gesicht mit ausgeprägter Nase und einer s-förmigen Pfeife starrte mir von einem Umschlag entgegen (da ich gerade die Sherlock-Holmes-Geschichten noch einmal las, war es mir sofort aufgefallen). Ich nahm das Buch vom Regal und schlug es auf. In diesem befanden sich einige Illustrationen. Ich wählte eine beliebige Seite und las ein paar Zeilen. Es war ein an Holmes gerichteter Brief von
der
Frau, Irene Adler. Am Seitenende strich ich ein paarmal mit dem Finger darüber – schüttelte dann den Kopf und blätterte per Hand um, wenn auch mit einiger Mühe, weil die Seiten aneinanderklebten. Die Schrift war winzig, die Zeilen standen zu dicht, und der Seite mangelte es an Brillanz. Aber dennoch hatte das Buch eine ganz eigene Art von Charme, wie ein alter Mörser, der in einer modernen Küche im Regal steht.
    Auf der Rückseite wurde der Band ziemlich reißerisch angepriesen. Echtes Saffianleder stand da. Lesebändchen aus roter Seide. Ich suchte nach dem Preis, entdeckte ihn rechts unten in der Ecke und schluckte. Vierhundert Dollar!
    Hier kostete alles mehr – wegen der Inflation – aber das war doch ein ziemlicher Hammer. Vielleicht wäre ein kleineres Buch, eines von denen mit biegsamen, dünnen Einbänden, eher dem Portemonnaie eines Touristen angemessen, dachte ich, während ich den Holmes vorsichtig wieder an seinen angestammten Platz zwischen anderen Bänden mit Sir Conan Doyles Namen zurückstellte.
    Ich nahm mir einen Moment Zeit und fuhr mit der Hand über die Rücken der Bücher von C bis D. In diesem Teil des Ladensstanden offensichtlich nur Romane. Für Agatha Christies lange Reihe von Krimis reichte ein Regalbrett nicht aus (einundachtzig Bücher – woher hatte sie nur die Zeit genommen?). Darunter sah ich Dickens, Dostojewski, Dumas und andere. Ich versuchte mir meinen zukünftigen Roman vorzustellen – sollte ich denn jemals dazu kommen, ihn zu schreiben – wie er auf einem Regal darauf wartete, einen Kunden dazu zu verlocken, sich von einem Teil seines hart erarbeiteten Geldes zu trennen. Es gelang mir nicht. Der Gedanke, ein Objekt zu schaffen, das man in die Hand nehmen konnte, schien mir

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