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Bezueglich Enten und Universen

Bezueglich Enten und Universen

Titel: Bezueglich Enten und Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neve Maslakovic
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dem letzten Mandelplätzchen und verschwand aus meinem Leben, bevor ich Widerspruch einlegen konnte.
    Es hatte sich seltsam – ja,
befriedigend
angefühlt, ein Buch in der Hand zu halten. Solide, substanziell, erdverbunden.
    Und was war dabei, wenn das unpraktisch war? Das Ölgemälde der Venus, das an der Wohnzimmerwand meiner Eltern gehangen und mich als Teenager sehr fasziniert hatte, hatte eine Leinwand benötigt, einen Maluntergrund. Andererseits existierten viel mehr Papierbücher als Ölgemälde (wie viele Nachdrucke von
Was ihr wollt
gab es wohl im Verhältnis zu den zwei
Sternennächten
von van Gogh?). Also war dieser Vergleich vielleicht nicht ganz angebracht.
    Meine Hand glitt zum Omni. Ich kannte meine bevorzugte Lautstärke (fünf) für Tage, an denen ich mir lieber vorlesen ließ, und meine übliche Schriftart (Helvetica, Größe 12) sowie Hintergrundfarbe (Weizen), falls nicht. Der Omni führte eine Liste meiner Lieblingsautoren, benachrichtigte mich über Neuerscheinungen, bot Leseempfehlungen von Freunden, Kollegen und völlig Fremden und vielleicht sogar der Königin von Liechtenstein an ... Und trotzdem hatte der Buchladen hier mir gefallen. Irgendwie widerstrebte es mir, etwas an Universum B leiden zu mögen, hauptsächlich, weil es nicht meines war, sondern
seines.
Franny vom
Queen Bee Inn
hatte schon recht damit gehabt, mich vor Vorurteilen zu warnen.
    Plötzlich dämmerte mir, dass ich im Prinzip keine Ahnung davon hatte, welche Materialien genau zur Herstellung eines Omni und seiner jährlichen neuen Batterien benötigt wurden – und wie man das mit dem Material zur Herstellung eines Papierbuchs vergleichen sollte, ganz egal welcher Prozentsatz eines Baumes in dieses hineinfloss.
    Ich pickte eine halbe Mandel auf, alles, was von meinen Plätzchen noch übrig war, und überlegte, ob der berühmteste aller Wissenschaftler, Professor Z. Z. Singh, es verdient hatte, als der Sündenbock für einfach alles herzuhalten. Kreativität war die Kraft, die hinter allen Büchern steckte, und dasselbe Kreativitätsprinzip hatte ihn, auf die Physik angewandt, dazu gebracht, kurz vor Mittag des sechsten Januar 1986 in seinem Labor eine Kopie des Universums herzustellen. So war er zu dem Titel »Universenschöpfer« gekommen. Tatsächlich waren das einzig nicht Kreative an dem Ereignis die Namen, die Professor Singh – damals schon die beiden Professoren Singh – den frisch verzweigten Universen gegeben hatte. Es ging das Gerücht, dass sie eine Münze geworfen hatten, oder was immer das physikalische Äquivalent dafür war, und dass es Pläne gegeben hatte, weitere Universen quer durchs Alphabet zu produzieren. Es war lächerlich, aber ich war immer ziemlich stolz darauf gewesen, aus Universum A zu stammen.
    Während ich die an den Wänden hängenden Plakate nach Ankündigungen für eventuelle Neuerscheinungen meines Namensvetters überflog und den Rest des lauwarmen Petersilientees austrank, wünschte ich mir trotzdem, dass Professor Singh nicht
ganz
so kreativ gewesen wäre.

    Ich gab den Gedanken auf, mir ein Buch zu kaufen (es gab einfach zu viele davon, um mich entscheiden zu können), und verließ den
Bücherwurm
mit leeren Händen. Entlang der ruhigen Starfish Lane spazierte ich zur Lombard Street, wo die Stadtrundfahrten starteten. Als ich die erste Kreuzung betrat, raste ein Wagen heran, so seidig schwarz wie – ja, wie eigentlich gar nichts in einer Küche, außer vielleicht der Innenseite einer Pfanne mit Antihaftbeschichtung. Der Fahrer hinter den getönten Scheiben schien es schrecklich eilig zu haben. Er hätte mich plattgebügelt, wenn ich nicht im letzten Moment zurück auf den Gehweg gesprungen wäre.
    Der Wagen raste weiter, ohne auch nur langsamer zu werden.

4
EIN PAAR SCHLECHTE NEUIGKEITEN
    »Am besten gar nichts tun, Bürger.«
    »Wie bitte?«, fragte ich.
    »Sie sehen so aus, als versuchten Sie eine Entscheidung zu treffen. Aber Sie sollten weise mit Ihrer Macht umgehen, Bürger. Unbedachte Entscheidungen schaffen neue Welten, gedankenlose Handlungen bringen neue Orte hervor, ein falscher Schritt könnte die Saat zu einem neuen Universum legen ...«
    Ich schüttelte den Kopf und die Passivisten zogen weiter. Ich stand vor der renovierten Feuerwache, von der aus die Ausflugsbusse starteten, und betrachtete das Bürogebäude auf der anderen Seite der Straße. Es war eines dieser heruntergekommenen, deprimierenden Häuser mit abblätternder Farbe und Neonschildern, die

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