Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
der Linie von dunklem Haar, die unter dem Bund seiner Unterhose, die ihm locker auf den schmalen Hüften saß, verschwand. Seine Augen durchbohrten Camille fast, und sein Kinn war auf die vertraute Weise streng. Es schien fast, als hätte das Wasser nicht nur die Seife und die Bartstoppeln abgewaschen, sondern auch jede Spur der vergangenen Nacht.
Ja, dachte Camille grimmig, es ging ihm heute entschieden gut genug, um ihr die Treppe hinunter hinterherzujagen. Der Arzt würde nicht kommen. Sie versuchte, sich erleichtert zu fühlen. Hoffnung zu haben. Vielleicht war ja wirklich gar nichts, so wie er gesagt hatte.
»Ich werde mich mit Nash und seinem Bruder Hayden-Worth in deren Club treffen«, sagte er und warf das Handtuch zur Seite. »Und dann Karten spielen. Hast du etwas, mit dem du dich beschäftigen kannst?«
Es war das erste Mal, dass er sich die Mühe gemacht hatte, sie über seine Pläne zu informieren. Camille war aufgestanden und ging zur Tür. Dort zögerte sie und warf ihm einen Seitenblick zu. »Oui, das Klavier wird mich beschäftigen. Ich werde etwas üben müssen, oder nicht?«
Er lächelte ein weiches, leicht schalkhaftes Lächeln, das sich definitiv in seinen Augen widerspiegelte. »Ah, welch famoser Gedanke. Vielleicht werde ich doch nicht so spät heimkommen.«
Zwei Tage waren seit dem letzten heftigen Schmerzanfall ihres Mannes vergangen, als Camille zum Mittagessen hinunterging und seltsamerweise feststellen musste, dass der Tisch nicht eingedeckt worden war und keiner der Diener zu sehen war. Stattdessen wurde sie von Miss Obelienne erwartet, die einen Lederbeutel in der Hand hielt.
»Was ist das?«, fragte Camille verwundert.
Miss Obeliennes kniff entschlossen die Augen zusammen. »Essen«, sagte sie und wies mit dem Kopf auf den Beutel. »Er muss aus diesem Haus heraus – am Tage, sage ich. Die Nacht hat eine böse Wirkung auf ihn. Sie werden ihn heute in den Park begleiten.«
Camille runzelte die Stirn. »Ich … ich verstehe nicht. In den Park wie zu einem …« Sie suchte nach dem richtigen Wort, »… einem picnic?«
»Oui«, sagte Miss Obelienne. »An der frischen Luft. Es ist ein schöner Tag. Der Herrgott lässt uns heute die Sonne scheinen.«
Zu Camilles Überraschung tauchte Rothewell jetzt aus seinem Arbeitszimmer auf. Er hielt ein zusammengefaltetes Stück Papier in der Hand. »Camille, Xanthia hat geschrieben, und sie fragt …« Er blieb stehen und schaute die beiden Frauen erstaunt an. »Was haben Sie da, Miss Obelienne?«
»Würzhühnchen. Käse. Apfelkuchen. Maniokbrot.« Sie starrte Rothewell an, dann legte sie den Beutel mit einem schweren, dumpfen Klang auf den Tisch. »Ihr Mittagessen.«
Camille wandte sich mit einem Lächeln zu ihrem Mann um. »Wie es aussieht, werden wir ein Picknick machen.«
Miss Obelienne hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Rothewells Blick glitt zurück zum Beutel. »Ein Picknick?«, wiederholte er. »In London?«
»Oui«, sagte die Köchin. Sie machte eine auffordernde Handbewegung, als wäre er Chin-Chin, der aus dem Zimmer geschickt wurde. »Gehen Sie. Die frische Luft wird Ihnen Appetit machen.«
Rothewell lachte schließlich und hob beide Hände. »Obelienne hat gesprochen«, gab er nach. »Ich werde nach dem Einspänner schicken.«
Camille ließ den Blick über ihn gleiten. »Ça alors!«, murmelte sie. »Vielleicht sollte ich Obeliennes Unterstützung öfter in Anspruch nehmen.«
Rothewell wandte sich zum Gehen, und über das sonst so gleichmütige Gesicht der Köchin glitt ein Ausdruck der Erleichterung. Camille wurde bewusst, was es Obelienne gekostet hatte, so entschlossen aufzutreten. Sie war sich der Zustimmung ihres Arbeitgebers ganz und gar nicht sicher gewesen. Sie hatte vielleicht darauf spekuliert, dass Camilles Anwesenheit Rothewells Temperament mildern würde. Eine bemerkenswerte Überlegung.
Eine halbe Stunde später saßen Rothewell und Camille unter einem Baum am westlichen Ende des Serpentinenteiches, dem lang gestreckten von kahlen Bäumen und Sträuchern umgebenen See zwischen den Kensington Gardens und dem Hyde Park. Rothewells Pferd war in der Nähe angebunden. Die Mondänen und Schönen kamen selten bis hierher, vermutete Camille, denn dieser Teil des Parks war weitaus weniger gepflegt und zudem heute menschenleer.
Camille hob das Gesicht zur Sonne und schloss für einen Moment die Augen. Das Wetter war nicht eigentlich warm, aber es war ein strahlend heller, wolkenloser Tag, wie man ihn zu
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