Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
Schiffen«, erklärte Obelienne, »aber ein paar können wir auf dem Markt bekommen.« Sie zog die Schublade auf, in der, wie Camille wusste, die runzlige weiße Wurzel lag. »Diese hier zum Beispiel«, sagte Obelienne, während sie die rübenartige Wurzel aus dem Stoffbeutel in Mr. Kembles Hand gleiten ließ. »Sie ist sehr selten. Selbst Miss Xanthia kann sie nicht beschaffen.«
Plötzlich schien Mr. Kemble anzufangen, wie ein Vorstehhund auf der Jagd zu zittern. Behutsam nahm er die Wurzel in die Hand. »Was ist das, Mrs. Trammel?«, fragte er scharf. »Das ist Ginseng, nicht wahr?«
Obelienne schüttelte den Kopf. »Nein, Monsieur, es nennt sich rénshēn.«
»Woher haben Sie das?« Der liebedienernde Dandy war verschwunden, und Kembles Stimme klang plötzlich sehr bestimmend.
Obelienne wich zurück. »Vom Markt in Covent Garden«, sagte sie ein wenig verteidigend. »Ein Chinese namens Ling verkauft das dort. Ich habe es bei ihm eingetauscht gegen grüne Pfefferkörner aus Bangalore.«
Camille berührte Mr. Kemble leicht am Handgelenk. »Was ist damit, Monsieur Kemble?«
Kemble sah sie an, seine braunen Augen funkelten. »Ich kaufe oft in Covent Garden ein und kenne Mr. Ling flüchtig. Diese Wurzel ist chinesischer Ginseng.«
»Oui?« Camille errötete. »Obelienne sagt, er steigert bei einem Mann seine – nun, seine …«
»Seine Ausdauer«, ergänzte Kemble diplomatisch. »Manche nennen ihn ›Mannwurzel‹, und er kostet ein verdammtes Vermögen.« Er wandte sich wieder an die Köchin. »Geben Sie Lord Rothewell rohen rénshēn zu essen, Mrs. Trammel?«
Obelienne machte sich um einige Zentimeter größer. »Oui, natürlich. Mr. Ling sagt, das wird ihn stark und potent machen. Mein Mann sagt, Rothewell muss einen Sohn haben. Jetzt hat er eine Frau. Und ich habe rénshēn. Schließlich muss ja jemand dafür sorgen, dass er gesund bleibt, non?«
Kembles Knöchel hatten sich leicht weiß verfärbt, während er die Ginsengwurzel festhielt. »Wie geben Sie ihm den Ginseng, Mrs. Trammel?«, fragte er bohrend nach. »Und wie oft? Seien Sie genau, wenn ich bitten darf.«
Die Köchin sah plötzlich besorgt aus. »Ich … ich gebe ein wenig in das Maniokbrot«, sagte sie. »Wie Ingwer, oui? Ein wenig davon hier hinein und dorthinein. Zu allem, was gewürzt ist und den Geschmack überdeckt. Der Herr ist sehr eigen.«
»Oui, oui, wir wissen, dass er das ist«, beruhigte Camille sie. »Wie häufig, Obelienne? Und seit wann?«
Die Köchin blinzelte rasch einige Male. »Seit dem frühen Winter, Madame. Und jeden Tag.« Ihre Stimme klang heiser. »Auf dem Schiff, mon Dieu, der Herr war so krank. Mein Mann hatte Angst, der Herr würde sterben. Warum fragen Sie mich das? Ist die Wurzel etwas Schlechtes, Monsieur? Mr. Ling sagt mir, sie hat Kräfte, Lord Rothewell stark zu machen. Hat er mich angelogen?«
Mr. Kembles Blick begegnete dem Camilles. »Für die meisten Menschen ist roher Ginseng harmlos«, sagte er ruhig, »aber zu viel davon, so nimmt man an, kann zu Blutungen führen.«
Obelienne stieß einen lauten Schrei aus und schlug die Hand vor den Mund. Ihr Schlüsselbund fiel mit einem lauten Klirren auf den Steinboden. »Mon Dieu!«, keuchte sie. »Das Bluten? Ich … ich war das?«
»Nein«, sagte Mr. Kemble fest. »Nein, Sie waren das nicht.« Er legte die Hand auf ihren Arm und drängte die Köchin, sich wieder auf ihren Stuhl am Tisch zu setzen. »Sie waren das nicht, Mrs. Trammel«, sagte er noch einmal, als sie Platz genommen hatte. »In kleinen Mengen kann Ginseng tatsächlich eine Magenverstimmung kurieren. Aber zu viel davon kann eine krankmachende Wirkung haben.«
Obeliennes Augen schwammen in Tränen. »Ich – ich habe ihn vergiftet?«, flüsterte sie. »Ich habe den Herrn vergiftet?«
Kemble setzte sich neben sie. »Ganz gewiss nicht«, sagte er. »Lord Rothewell hat sich selbst vergiftet durch seine zügellosen Gewohnheiten, und wir alle wissen das. Aber als dann die Blutungen anfingen … nun, da war eine größere Menge rénshēn vielleicht nicht ganz das Richtige. Ich denke, meine Liebe, dass Sie von jetzt an Ihre grünen Pfefferkörner besser für sich behalten und Mr. Ling Mr. Ling sein lassen.«
»Was halten Sie davon, Monsieur Kemble?«, fragte Camille, als sie die Treppe wieder hinaufgingen. »Obelienne scheint aufrichtig zu sein, n’est-ce pas?«
Sie hatten Miss Obelienne bei einer Kanne Tee und mit Camilles wiederholten beruhigenden Worten zurückgelassen, riefen dann nach
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