Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
ihre Mutter nicht auch in einen Schurken verliebt? Und nachdem das geschehen war, hatte keine noch so schlechte Behandlung durch Valigny das ändern können.
Sicherlich war sie stärker als ihre Mutter. Und klüger. Sie musste es sein. Für Rothewell Mitgefühl zu empfinden war die eine Sache, in seinen Augen eine Närrin zu sein, war eine ganz andere. Sie musste mit ihm leben, ja – zumindest eine Zeit lang. Und sie wünschte sich verzweifelt ein Kind. Sie wollte mit ihm schlafen, ihn aber nicht lieben, und der Grat zwischen diesen beiden Dingen begann, sich als so quälend schmal zu erweisen, dass sie nur darum beten konnte, ihn gehen zu können. Denn wenn sie ausrutschte, so fürchtete Camille, würde sie in einen emotionalen Abgrund stürzen.
Sie war so tief in ihre Überlegungen versunken, dass sie zusammenzuckte, als die Tür des Esszimmers plötzlich aufgestoßen wurde.
»Camille!« Rothewells Schwester stürmte herein, die Arme weit ausgebreitet. »Ich musste einfach herkommen. Gestern schien alles so … unvollendet geblieben zu sein?«
»Unvollendet?« Camille lächelte und akzeptierte Xanthias Umarmung.
»Kieran ist solch ein Schuft!«, erklärte seine Schwester, wobei ihre Augen gutmütig funkelten. »Können Sie sich vorstellen, wie sehr sein Verhalten mich frustriert? Ich hatte auf eine große Hochzeit gehofft.«
» Mais non! Die wollte ich nicht. Und Ihr Bruder auch nicht, da bin ich mir sicher.«
Xanthia richtete sich auf und nahm Camille am Ellbogen. »Und?«, fragte sie herausfordernd. »Wo steckt er?«
Camille spürte ihre Augen groß werden. »Nun, er hat gesagt, er würde ausgehen und Nash treffen. Wollen Sie ihn sprechen?«
Xanthias Miene verfinsterte sich. »Wollen Sie damit sagen, er ist ausgegangen? Am ersten Tag seiner Ehe?«
Camille ließ die Hände sinken, und Xanthia tat es ihr gleich. »Sie sollten ihn nicht tadeln, Xanthia«, sagte sie. »Es ist eine Vernunftehe. Es wäre das Beste, wenn wir alle das akzeptieren.«
Xanthia warf ihr Umhangtuch über einen Stuhl, als hätte sie vor, länger zu bleiben. »Vielleicht könntet ihr zwei ein wenig mehr daraus machen, wenn er zu Hause bliebe«, klagte sie und machte einige Schritte weiter in das Zimmer hinein. »Außerdem macht mir sein Aussehen Sorgen. Ich wünschte, er würde sich ausruhen. Am Abend unserer Dinnerparty hatte er einen weiteren bösen Anfall, fürchte ich.«
»Einen weiteren?« Camille stürzte sich auf dieses Wort. »Wie oft hat er diese Schmerzattacken?«
Auf halber Höhe des großen Esstisches angelangt, fuhr Xanthia herum. »Nun, ich weiß es nicht. Kieran sagt mir ja nichts, dieser sturköpfige Mensch. Er behauptet, lediglich eine Magenverstimmung zu haben – was man nicht bezweifeln kann, wenn man bedenkt, wie er seinen Magen malträtiert.«
Camille ging auf die Flügeltür zu, durch die man in den Salon gelangte. »Wollen Sie einen Moment bleiben?«, fragte sie. »Wir könnten uns Tee bringen lassen. Der Tag wird immer kühler.«
Xanthia warf ihr von der Seite ein Grinsen zu. »Meinen Glückwunsch, meine Liebe. Sie lenken fast ebenso geschickt von diesem Thema ab wie er.«
Camille lächelte leise. »Tee, Xanthia?«
Xanthia schob die Unterlippe vor. »Also gut«, fügte sie sich. »Ich habe verstanden.«
»Pardon«, sagte Camille, »aber meine Stellung hier ist eine sehr schwierige. Ihr Bruder liebt mich nicht. Und ganz gewiss ist er niemand, der sich fügt. Ich habe keinen Einfluss auf ihn – noch nicht.«
» Noch nicht .« Ein Lächeln erhellte Xanthias Gesicht. »Das klingt vielversprechend. Hören Sie, warum machen wir beide nicht einen Spaziergang durch den Park, Camille? Ich bin ja den ganzen Tag im Büro in Wapping eingesperrt. Der Doktor sagt, ich brauche Bewegung.« Sie legte in jener zärtlich-beschützenden Geste, die Camille jetzt schon so vertraut war, die Hand auf ihren Bauch. Es machte sie ein wenig neidisch.
»Ich werde nur meinen Umhang holen.«
Camille wurde bewusst, dass sie unerklärlicherweise darauf brannte, ihrem neuen Heim zu entfliehen, diesem Ort, der sich wie eine Zuflucht vor all der Ungewissheit in ihrem Leben anfühlen sollte. Wie eine Bastion gegen die Einsamkeit. Stattdessen musste sie feststellen, dass sie einsamer als je zuvor war. Sie war plötzlich sehr froh über die Gesellschaft ihrer Schwägerin.
Binnen Minuten gingen sie und Xanthia die Berkeley Street hinunter. Die wenigen Fußgänger, denen sie begegneten, trugen alle dicke Capes oder Paletots und hatten
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