Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
die Kragen hochgeschlagen, während sie sich gegen den Wind stemmten, der vom Fluss her wehte.
Auf der geschäftigen Piccadilly stauten sich die Wagen. An einem mit Heu beladenen Karren war eine Achse gebrochen, und seine goldbraune Ladung blockierte die Durchfahrt. Einer der Kutscher fluchte und drohte mit der Faust, während an der Ecke zur St. James’s Street ein Bierkarren versuchte zu wenden und alles noch schlimmer machte. Und zwischen all dem wetteiferten zwei Zeitungsjungen auf dem Bürgersteig darum, wer die schreiendsten Schlagzeilen am lautesten ausrufen konnte. London, dachte Camille, ist ebenso verrückt wie Paris.
Xanthia nahm Camille bei der Hand, und zusammen bahnten sie sich ihren Weg durch das Durcheinander von Pferden und Fahrzeugen. Tief im Green Park ebbten schließlich der Lärm und der kalte Wind ab. Die beiden Frauen gingen eine Weile in einträchtigem Schweigen nebeneinander her. Camille begann, Rothewells Schwester zu mögen.
»Wie lange dauert es noch, bis das Kind kommt?«, fragte Camille.
»Oh, ein paar Monate«, sagte Xanthia vage. »Aber ich fühle mich schon jetzt so dick wie eine Kuh.«
»Mais non. Sie sind noch immer schlank. Und bei diesem Umhang muss man sehr genau hinsehen, um es überhaupt zu bemerken.«
»Mein Rücken schmerzt manchmal«, gestand Xanthia. »Und ich sehne mich danach zu spüren, dass das Kind sich bewegt. Wann wird das sein, was meinen Sie?«
Camille kniff ihre Augen gegen die Sonne zusammen, die jetzt durch die Wolken lugte. »Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass Sie sehr viel Glück haben.«
Xanthia sah sie mit einem seltsamen Blick an. »Sie wünschen sich also Kinder«, sagte sie dann. »Wie viele würden Sie gern haben?«
Camille zog ihr Cape ein wenig fester um sich und fühlte die Röte in ihre Wangen steigen. »Oh, nur eines. Mit nur einem würde ich schon glücklich sein.«
»Da ich meinen Bruder kenne, mein liebes Mädchen, würde ich meinen, Sie werden mehr als das eine haben«, sagte Xanthia trocken.
»Rothewell mag Kinder?«
»Nein, aber er mag …« Xanthias Augen blitzten. »Oh, vergessen Sies! Aber ich denke, dass Kieran Kinder mögen wird, wenn sie erst da sind. Ich denke, Kinder werden … oh, ich weiß nicht. Ihm Hoffnung für die Zukunft geben?«
»Warum hat er jetzt keine Hoffnung?«, fragte Camille. »Pardon, Xanthia, aber Ihr Bruder scheint so … zut, wie ist das passende Wort dafür?«
»Soll ich sagen ›verlebt‹ zu sein?« Wieder klang Xanthias Ton trocken.
»Non.« Camille zog die Stirn kraus. »Auf Französisch sagt man désolé.«
»Traurig?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist mehr als das. Es ist eine Traurigkeit, die von Bedauern kommt. Einer Leere im Herzen.«
»Ah, das.« Xanthia sah Camille forschend an.
Ihre Schritte hatten sich verlangsamt, und für eine Weile schwiegen beide. Der Wind hatte wieder leicht aufgefrischt und spielte mit den weichen Locken, die unter Xanthias Haube hervorschauten. Ihre Wangen hatten sich in der frischen Herbstluft rosa gefärbt. Camille spürte, dass etwas sie belastete.
Schließlich stieß Xanthia einen tiefen Seufzer aus, drehte sich Camille zu und sah sie an. »Camille, lieben Sie meinen Bruder?«
Camille schüttelte den Kopf. »Non«, sagte sie und betete, dass sie die Wahrheit sagte. »Ich kenne ihn kaum.«
»Man hält ihn für einen sehr gut aussehenden Mann«, fuhr Xanthia fort. »Vorausgesetzt, man mag den rauen Typ. Viele Frauen tun das, wissen Sie.«
»Wie Mrs. Ambrose?«, fragte Camille ruhig. »Ich fürchte, Ihr Bruder liebt sie.«
Xanthia blieb stehen und lachte. »Unsinn, nein! Diese boshafte Katze? Er würde es nicht wagen.«
»Sie mögen Mrs. Ambrose nicht?«
Xanthia stieß mit der Schuhspitze einen Stein aus dem Weg und ging dann langsam weiter. »Sie hat jemandem, den ich sehr liebe, auf sehr üble und grausame Weise mitgespielt«, sagte sie nachdenklich. »Meiner Nichte Martinique. Allerdings kann ich das nicht beweisen. Doch ich weiß, dass sie es getan hat, und ich werde ihr das nie verzeihen. Und sie wird Sie zum Teufel wünschen, sobald sie Sie sieht.«
»Oui, dorthin wurde ich bereits gewünscht«, entgegnete Camille. Widerstrebend schilderte sie Xanthia, was sich bei Lady Sharpe zugetragen hatte.
Am Ende lachte Xanthia. »Oh, ich wünschte wirklich, ich hätte das miterlebt!«, rief sie aus. »Was für eine kleine Hexe Sie sind, Camille! Kein Wunder, dass Pamela überzeugt ist, dass Sie die Richtige für Kieran sind.«
Camille
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