Bianca Arztroman Band 0011
Spritzen gehabt”, sagte sie, “deswegen hatte sie es besonders hart getroffen, als sie von ihrer Diabetes erfuhr.”
“Das glaube ich Ihnen. Aber Diabetes ist eine Krankheit, die man unter Kontrolle halten kann, wenn man sich strikt an die Diät hält und sich die richtige Dosis Insulin zuführt.”
“Wir müssen eben damit fertig werden”, meinte Jeannie Shepherd. Dann lud sie Abbie zu einer Tasse Tee in die Küche ein und stellte einen Teller mit Schokoladenplätzchen dazu. Doch gerade, als es gemütlich wurde, schreckte Jeannie zusammen und presste eine Hand aufs Herz.
“Ist Ihnen nicht gut?”, fragte Abbie besorgt. “Was ist denn passiert?”
“Es war wieder dieser Junge, der durchs Fenster sah. Er jagt mir jedes Mal von neuem Angst ein.”
“Welcher Junge?”
“Dieser Adrian Shaw. Er strolcht andauernd um unser Haus herum.”
“Haben Sie schon einmal mit ihm gesprochen?”, fragte Abbie verwundert.
Jeannie schüttelte den Kopf. “Nein, er läuft ja immer davon, sobald man etwas zu ihm sagt. Ich möchte keinen Ärger machen, trotzdem will ich Frank bitten, dass er einmal mit Adrians Eltern spricht. Warum redet der Junge nicht mit mir? Das ist doch nicht normal.”
Abbie konnte nichts dazu sagen, schon gar nicht konnte sie mit Jeannie über Adrians Krankheit reden, damit würde sie die ärztliche Schweigepflicht brechen.
Sie unterhielt sich noch eine Weile mit Jeannie Shepherd, dann machte sie sich wieder auf den Weg. Dabei sah sie sich aufmerksam um in der Hoffnung, Adrian Shaw zu treffen. Schließlich entdeckte sie ihn, wie er sich in einen Hauseingang drückte. Sie stoppte den Wagen und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, doch sofort lief der Junge davon.
“Nein, warte einen Moment, Adrian! Ich wollte nur Hallo sagen und fragen, wie es dir geht. Du kennst mich doch noch? Ich bin Abbie Fraser, die Krankenschwester im Ort.”
“Hat man Sie zu mir geschickt?”, fragte der Junge und sah Abbie feindselig an. Er war mindestens einen Kopf größer als sie und kräftig gebaut. Er war ordentlich gekleidet und sah gepflegt aus, trotzdem hatte er etwas an sich, was Abbie verunsicherte.
“Niemand hat mich geschickt, Adrian. Ich fuhr gerade vorbei und hielt an, um Hallo zu sagen.”
“Das sagen sie alle. Ich bin doch nicht dumm.” Er schob sie beiseite und lief um die nächste Ecke davon.
Abbie stieg wieder in ihren Wagen und fragte sich, was sie tun sollte. Adrians Verhalten war entschieden absonderlich, doch vielleicht empfand sie das nur so, weil sie seine Krankengeschichte kannte?
Es saßen noch einige Patienten im Wartezimmer, als Abbie in die Praxis zurückkehrte, trotzdem nahm sie sich vor, eine Gelegenheit abzupassen, um ein ernstes Wort mit James über Adrian Shaw zu sprechen. Sie erzählte ihm kurz, was im Haus der Shepherds vorgefallen war und dass auch Marion Rimmer ihr von Adrians auffälligem Verhalten berichtet hatte. “Ich wollte es dir wenigstens sagen”, erklärte sie. “Vielleicht irre ich mich auch.”
James lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überlegte einen Augenblick. “Es war richtig, dass du es mir erzählt hast, Abbie. Ich werde mit seinen Eltern reden und sie fragen, ob Adrian seine Medikamente regelmäßig nimmt.”
“Du meinst, er nimmt sie vielleicht gar nicht mehr?”
“Das wäre durchaus denkbar. So etwas passiert leider immer wieder. Ein Patient fühlt sich so viel besser, nachdem er die Medikamente genommen hat, und dann meint er, er braucht sie nicht mehr und setzt sie ab, und prompt treten die alten Symptome wieder auf. Es ist ein Teufelskreis. Deswegen geben manche Ärzte Depot-Spritzen, die über längere Zeit wirken. Diese haben aber mitunter unangenehme Nebenwirkungen. Vielleicht sollte ich einmal mit Nick darüber reden. Er ist immerhin ein Experte auf diesem Gebiet.”
“Das ist eine gute Idee”, sagte Abbie. “Aber jetzt will ich dich nicht länger aufhalten.”
“Ich werde es Nick am Samstag sagen, wenn ich ihn sehe. Dann kannst du ihm auch gleich berichten, was du mir erzählt hast.”
“Samstag?”, fragte Abbie schon mit dem Fuß in der Tür.
“Wir sehen uns doch alle auf Davids und Lauras Einweihungsparty. Nick ist auch eingeladen. Laura kennt ihn, denn er ist ein Freund von einem ihrer Brüder.” James lachte. “Die Welt ist klein, nicht wahr?”
“Ja, wirklich”, gab Abbie zu. Sie wollte es sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie sich darüber freute, dass auch Nick an der Party teilnehmen würde. James
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