Bianca Arztroman Band 0031
Fall. Nachdem Suzannah die Frau untersucht hatte, ging sie zu Lafe.
“Ich glaube, es liegt hier eine Blutvergiftung vor”, erklärte sie ruhig. “Könntest du bitte selber einen Blick auf die Patientin werfen?”
Sie hatte ihn in der Küche angetroffen. Er saß gerade mit Linda bei einem Becher Kaffee. Sofort stellte Lafe den Becher auf den Tisch und folgte ihr in das Behandlungszimmer.
Die fünfzig Jahre alte Frau hatte ein entzündetes, stark angeschwollenes Gesicht, sodass sich ihre Züge unter den großen, roten Schwellungen nur noch erahnen ließen.
Suzannah hörte, wie Lafe bei dem Anblick nach Luft schnappte. Sie wusste, dass der Zustand der Patientin ernst war.
“Wie lange ist Ihr Gesicht bereits geschwollen?”, fragte Lafe ernst.
“Es begann vor zwei Tagen. Zuerst dachte ich, es sei eine allergische Reaktion”, informierte sie ihn.
“Tut es weh?”
“Nicht das Gesicht, mein Nacken schmerzt allerdings.” Die Frau schluckte schwer. “Es ist etwas Ernstes, nicht wahr, Doktor?”
“Wir glauben, dass Sie an einer Form von Blutvergiftung leiden. Aber normalerweise beeinträchtigt das den gesamten Organismus. In Ihrem Fall scheint es sich aber um den Kopf zu konzentrieren. Ich möchte mich gerne für einen Moment mit meiner Kollegin beraten. Bitte entschuldigen Sie uns einen Augenblick.” Er führte Suzannah hinaus. “Was denkst du? Worum handelt es sich hier?”, fragte er, ohne zu zögern. “Was es auch ist. Sicher ist, dass sie sofort Antibiotika benötigt, und zwar reichlich. Es könnte sonst schlimm ausgehen.”
“Es ist auf jeden Fall eine Entzündung”, sagte Suzannah, “aber warum nur im Gesicht?”
“Ich verwette mein ganzes Geld, dass es sich um eine Wundrose handelt. Das ist auch eine schwere Streptokokkeninfektion, konzentriert sich aber, im Gegensatz zu einer Blutvergiftung, hauptsächlich auf den besagten Bereich.”
“Ich habe davon gehört. Aber mir ist noch nie so ein Fall begegnet”, erzählte sie ihm.
“Es ist auch sehr selten”, erklärte er. “Ein kleiner Kratzer oder ein Biss reichen aus, um ernsthafte … du hast es ja selber gesehen. Wir brauchen schnell einen Krankenwagen.”
Als Suzannah am Abend vor ihrem Kleiderschrank stand und überlegte, was sie zu Lafes kleiner Party anziehen sollte, war sie noch immer irritiert darüber, dass sie bereits am ersten Tag in Bramble Bay mit einer so seltenen Krankheit konfrontiert worden waren.
4. KAPITEL
Auch wenn alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem gleichen Grund in Bramble Bay waren, änderte das nichts daran, dass sie einander immer noch fremd waren.
Bei Lafe hatte sie jedoch das Gefühl, ihn schon ein Leben lang zu kennen. Dabei dauerte ihre Bekanntschaft erst wenige Wochen. Und was für Wochen! In kurzer Zeit hatte er ihr Leben umgekrempelt und sie aus der trüben Stimmung ihrer Schuldgefühle herausgeholt.
Das Ehepaar, Alison und Wayne Jones, saß schweigend beieinander und nippte jeweils an einem selbst gemachten Ingwerlikör, den Maisie beigesteuert hatte. Die prächtige Linda trank ihren trockenen Weißwein in großen Schlucken.
Die Physiotherapeutin Shirley McAndrews sah sie bewundernd an. Suzannah hatte den Eindruck, dass sie nicht sehr glücklich darüber war, mit der selbstherrlichen Krankenschwester die Unterkunft zu teilen.
Sie selber war eine unverheiratete Frau in den Mittvierzigern, eher still und schlicht. Das einzig Auffällige an ihr war ihre blasse, reine Haut, die für so blonde Frauentypen charakteristisch war. Leider wirkte sie neben dem schillernden Rotschopf eher farblos, wie ein nervöser Geist.
Suzannah war nicht die Einzige, der aufgefallen war, wie unwohl sich Shirley fühlte. Lafe zog sie in einem günstigen Augenblick zur Seite. “Ich glaube, die beiden können nicht zusammenwohnen. Wie wäre es, wenn Linda bei dir wohnen würde?”
“Auf gar keinen Fall!”, erklärte sie verärgert.
“Aber sie macht ihre Arbeit gut.”
“Davon bin ich ausgegangen. Und falls ich dich darauf aufmerksam machen darf, ist das bei dem Rest von uns nicht anders!”
“Was?”
“Dass wir unsere Arbeit gut machen.”
“Hat irgendjemand gesagt, dass das nicht der Fall ist?”, fragte er gelassen. “Ich bin doch nur bemüht, eine möglichst harmonische Situation zwischen uns allen herzustellen.”
“Lafe, bitte”, sagte Suzannah aufgewühlt. “Es gibt Zeiten, in denen mir meine eigene Gesellschaft schon unerträglich ist.”
“Deine Antwort ist also immer noch
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